Oleksandra Ochmann ist ukrainische Journalistin und wohnt in Kiew. Anna Lindemann hat nachgefragt, warum sie in ihrer Heimatstadt geblieben ist und wie der Krieg seit einem Jahr ihr Leben bestimmt.
Wie hat sich dein Alltag seit dem Kriegsbeginn verändert?
Der Alltag lässt sich nicht mehr planen: Egal ob ich zur Bank, zum Friseur oder in den Supermarkt gehen will, jederzeit kann der Strom ausfallen oder das Wasser abgeschaltet werden. Ich muss immer auf Stromausfälle, Brände, Raketeneinschläge, Lebensmittel- und Wasserknappheit vorbereitet sein. Deshalb habe ich zuhause einen Vorrat an Lebensmitteln, Streichhölzern, Kerzen, Batterien, warmer Kleidung und Medikamenten, um zu überleben und im Notfall anderen helfen zu können. Solange ich nicht unterwegs bin, sind die großflächigen Stromausfälle nicht ganz so schlimm. Aber draußen im Straßenverkehr wird es richtig gefährlich, wenn die Ampeln nicht mehr funktionieren. Viele Menschen, die ich kenne, sind inzwischen aus der Ukraine geflohen, deshalb habe ich weniger Freund*innen in Kiew.
Wie beeinflusst der Krieg deine Arbeit als Journalistin?
Der normale Berufsalltag ist gefährlicher und emotional viel schwieriger. Niemand sollte mit einer solchen Menge an verheerenden Geschichten, Leichen und Leid konfrontiert werden. Aber wer in der Ukraine berichtet, muss über Krieg berichten.
Warum bist du nicht geflohen?
Dafür habe ich mich nicht erst vor einem Jahr entschieden, sondern bereits 2014, als Russland den Donbass angegriffen hat. Damals habe ich in Deutschland studiert und hätte dortbleiben können. Aber ich wollte meinem Land helfen. Ich bin zwar keine Soldatin, aber immerhin Teil dieser Gesellschaft: Ich zahle hier Steuern und kann in meiner Nachbarschaft helfen. Außerdem konnte ich meinen Ehemann nicht allein lassen, dem es nicht erlaubt ist, das Land zu verlassen. Wenn ich kleine Kinder hätte, wäre ich vielleicht gegangen. So aber bleibe ich.
Was sind deine Zukunftspläne und -hoffnungen?
Ich möchte ein Buch über den Krieg zu Ende schreiben und meine Ausbildung zur psychologischen Beraterin abschließen, um Ukrainer*innen zu helfen, mit diesem Albtraum fertig zu werden. Am meisten hoffe ich natürlich, dass die Ukraine den Krieg gegen Russland gewinnt und wieder Frieden herrscht.