Seit Frauen boxen, kämpfen sie nicht nur gegeneinander, sondern immer auch für ihr Recht, diese Kämpfe überhaupt öffentlich austragen zu dürfen. MARIA POELL über Geschichte und Gegenwart des Frauenboxens.
Wann genau die erste Boxerin in den Ring stieg, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen. Wie vieles andere, was als Männerdomäne gilt, ist das Frauenboxen und seine Geschichte wenig und unzuverlässig dokumentiert, Namen und Jahreszahlen variieren, Fakten und Fiktion lassen sich nicht immer unterscheiden. Aber es gab sie, die ersten Pionierinnen des Faustkampfs.
Jahrmarktboxen. Eine von ihnen war Elizabeth Wilkinson, die in den 1720er Jahren ihre Gegnerinnen mit Zeitungsannoncen in der Londoner Daily Post zum „Bare-Knuckle Prizefight“ herausforderte. Schon damals kämpften die Frauen nicht nur gegeneinander, sondern auch für ihr Recht, diese Kämpfe überhaupt öffentlich austragen zu dürfen.
Mehr als zwei Jahrhunderte später reisen Boxerinnen wie Barbara Buttrick weiter von Jahrmarkt zu Jahrmarkt und Land zu Land, auf der Suche nach Frauen, die bereit sind, gegen sie anzutreten. Während die Männer seit 1904 bei den olympischen Spielen boxen und Titelkämpfe mit hohen Preisgeldern und großem medialen Interesse bestreiten, bleibt den Frauen das Wettkampfboxen bis Ende des 20. Jahrhunderts weitgehend verboten.
Ein Verbot, das auf vielfältige Weise diskriminierend wirkt. In erster Linie natürlich, weil es Frauen vorschreibt, was sie zu tun und zu lassen haben. Gleichzeitig werden sie mit vorgeblicher Sorge um ihre Gesundheit bevormundet oder gar mit Hinweis auf ihre Regelblutung als „mental instabil“ diskreditiert. Mit diesem Argument versuchte der britische Boxverband 1998, der Boxerin Jane Couch eine Lizenz zu verweigern.
Weibliche Beweislast. Vor allem aber geht es den Gegnern des Frauenboxens darum, das vorherrschende Bild vom schönen, aber schwachen Geschlecht zu wahren. Eine starke, selbstständige, aggressive, blutverschmierte Kämpferin rüttelt so sehr an diesem Ideal, dass es den Herren der Schöpfung sichtlich weh tut. Mitte der 1990er Jahre, als immer mehr Frauen erfolgreich ihr Recht durchsetzen, in den Ring steigen zu dürfen, ist der Tenor demnach: „Boxende Frauen sind widernatürlich. Sie ekeln mich an. Eine Frau muss für den Mann gemacht sein, nicht für den Männersport.“(1)
Erfolgreiche Weltmeisterinnen wie Lucia Rijker, Laila Ali, Regina Halmich oder Susianna Kentikian haben dazu wohl eine andere Meinung. Und bei den olympischen Spielen 2012 werden erstmals auch die Frauen in drei Gewichtsklassen antreten. Trotz all dieser Erfolge bleibt die Lage schief. Profiboxerinnen stehen irgendwie unter Beweislast ihrer eigenen Weiblichkeit. Je mehr Schlagkraft und Erfolg eine im Ring hat, umso mehr scheint sie außerhalb des Rings ihre weiblichen Attribute zur Schau stellen zu müssen. Fast so als gelte es, die männliche, testosteron-schwangere Aura des Sports, all den dreckigen Schweiß und die Härte, durch umso mehr Make-up, weibliche Kurven und genderstereotype Sanftheit auszugleichen. Um nur ja nicht den Verdacht zu erwecken, man wäre keine „richtige Frau“. Eine, die das System sprengt. Eine, die nach ihren eigenen Regeln spielt.
Frauen kämpfen sehen. Professionalität wird hier nicht auf sportlicher Ebene definiert. Professionell ist eine Weltklasseboxerin dann, wenn sie sich selbst als Ware begreift und den Regeln der Vermarktung unterwirft, d.h. ihre Person und ihren Körper gewinnbringend verkauft. Das sagt natürlich keiner der großen Box-Promoter so, aber das sagt z.B. Regina Halmich in der ihr gewidmeten Doku „Königin im Ring“. Das ist einerseits bemerkenswert realistisch und scharfsinnig, andererseits aber auch fatal unkritisch. Gerade jemand wie Regina Halmich hätte die Chance, an den Regeln des Spiels zu rütteln.
Fußnoten:
(1) Zitiert in „Königin im Ring“ (2008, Simone Jung)
(2) „A Knock Out“ (2004, Tessa Boerman & Samuel Reiziger
(3) Lucia Rijker in „Shadow Boxers“ (1999, Katya Bankowsky)
Eine, die es versucht hat, ist Michele Aboro. Die ungeschlagene Weltmeisterin wollte weder ihr Lesbischsein verheimlichen noch sich für den Playboy ausziehen. Dass sie darauf beharrte, eine Athletin und kein „Page-Three Girl“ zu sein, kostete sie schließlich ihre Karriere. Sie wurde von ihrem Promoter Universum als „unvermarktbar“ gekündigt und verlor den Rechtsstreit, mit dem sie versuchte, die Kündigung anzufechten. Die großartige Doku „A Knock Out“ erzählt ihre Geschichte.(2)
Eine, die es geschafft hat und erfolgreich ihren eigenen Weg gegangen ist, ist Lucia Rijker, ebenfalls ungeschlagene Weltmeisterin. Die einzige Bikini-Bilderserie, die von ihr zu finden ist, entspricht in keinster Weise dem, was die Männer im Boxbusiness sehen wollen.
Weder Pose noch Blick versprechen Verfügbarkeit, sondern scheinen zu sagen: „Ist mir doch egal, was du von mir willst. Ich mach’ mein eigenes Ding.“ Damit versteht sie sich ganz bewusst als Vorbild für andere Frauen: „Women can find strength in seeing other women fight and be strong. They can find something there that they have as well, even though they’re not boxing.”(3) Recht hat sie.
Maria Poell ist Filmvermittlerin & Filmvorführerin und selbst Wettkampfboxerin.
Zum Nachlesen:
Katherine Dunn: Just as Fierce, in: Mother Jones Magazine (Dezember 1994): http://theinferior4.livejournal.com/66635.html
Profiboxerinnen – Frauen, die hauen: www.freitag.de/1999/31/99311801.htm
Old-time female combatants: www.fscclub.com/history/zhened-old2-e.shtml