Wien bietet wunderbare Bademöglichkeiten –
die einem Spanner und Exhibitionisten regelmäßig vermiesen. Von Laura Kroth.
Es gibt eine sportliche Disziplin in Wien, die alljährlich ihren Saisonstart feiert, wenn das Thermometer über 25 Grad klettert. In diesem Sport sind mir an den städtischen Gewässern bisher ausschließlich männliche Athleten begegnet. Es handelt sich um das Bespannen von Frauen, vorzugsweise nackt, inklusive Zurschaustellung des Genitals, wahlweise in erigiertem Zustand.
Mittwoch am späten Nachmittag: Zweieinhalb Stunden habe ich Zeit für mich, am frühen Abend muss ich zu Hause sein, um mein Kind wieder in Empfang zu nehmen. Gemeinsam mit einer Freundin will ich nur mal kurz ins Wasser hüpfen, den Sommer begrüßen, unsere Kinder sind bei ihren Vätern. Wir freuen uns über eine kurze Auszeit. Was wir hätten ahnen können: Eine Pause davon, ein sexualisiertes Objekt zu sein, ist uns nicht vergönnt.
Wir finden ein idyllisches Plätzchen gleich am Wasser. Außer uns nur eine weitere Sonnenanbeterin. Wir grüßen ihr freundlich zu, als wir in einiger Entfernung unsere Handtücher ins Gras legen, bevor wir in den See steigen.
Das Wasser reicht uns bis zum Nabel, unsere Beine werden von ein paar Pflanzen gestreichelt, das weiche Wasser der Lobau ist wärmer als gedacht und fühlt sich gut an. Zurück am Ufer, legen wir uns tropfend auf unsere Handtücher.
In unmittelbarer Nähe lässt sich ein Mann nieder, gefühlt ein bisschen nah, aber gerade nicht so nah, als dass wir ihn bitten, sich einen anderen Platz zu suchen. Schon zieht er sich nackt aus und präsentiert sich breitbeinig.
Wir üben uns darin, ihm so wenig Aufmerksamkeit wie möglich zu schenken. Doch ich spüre, wie unser zuvor offenes, unbeschwertes Gespräch kippt, unsere Stimmen leiser werden, wie allmählich und unweigerlich ein Unwohlsein in uns aufsteigt, das sich genauso wenig ignorieren lässt wie der breitbeinige Typ neben uns.
„Jetzt kriegt er auch noch eine Erektion‘‘, bemerkt Lilith augenrollend und beschließt: „Komm, wir gehen!“ Sie springt auf und packt hastig ihre Sachen zusammen. Ich winde mich, in ein Handtuch gewickelt, aus meinem Badeanzug. Auch die Sonnenanbeterin hat er in die Flucht geschlagen.
„Unnötig!“, ruft Lilith in seine Richtung.
„Ein bisschen Spaß muss sein“, antwortet er.
In Windeseile hat sich mein Unwohlsein in eine bebende Wut verwandelt. Ich zittere, während ich auf einem Bein balancierend in meine Sandale schlüpfe.
„Wir sind nicht hier, damit Sie sich an uns aufgeilen!“, schreie ich ihn an. „Mein Körper gehört mir!“ Ich bin überrascht, dass mir dieser Spruch so spontan über die Lippen kommt.
Wir sitzen im Auto, atmen durch. In zwanzig Minuten müssen wir zurück in der Stadt sein, die Polizei zu rufen, geht sich nicht aus, außerdem hätten wir ihn filmen oder zumindest fotografieren müssen. Nacktbaden ist hier ja kein Strafdelikt. Nachdem ich vor ein paar Jahren am Wienerberg ähnliche Erfahrungen gemacht habe, gehe ich nicht mehr alleine baden.
Auf dem Rückweg erzählt mir Lilith von einem Vorfall sexueller Belästigung, den sie zur Anzeige gebracht hat. In einer fast leeren S-Bahn hat sich ein Typ einen runtergeholt. Als sie ihn ein paar Wochen später bei der Polizei aus einem Stapel dutzender Fotos identifiziert, sagt die Polizistin: „Ach der! Der tut nix!“
Ein bisschen Spaß darf also offenbar wirklich sein. Ich finde es allerdings gar nicht lustig, dass drei Frauen ihr erstes Badevergnügen des Jahres abbrechen müssen, weil das ein Mann spaßig findet. Noch weniger Verständnis habe ich dafür, dass die Polizei sexualisierte Gewalt, die von dem Spanner oder einem übergriffigen Typen in der S-Bahn ausgeht, als harmlose Bagatelle abtut.
Das nächste Mal, so beschließen wir auf der Heimfahrt, werden wir jeden Spanner sofort in seine Schranken weisen, sobald er uns nur einen Zentimeter zu nah kommt. I will grab him by his Spatzi. Ein bisschen Spaß muss sein. •
Laura Kroth arbeitet als Organisationsentwicklerin bei einer großen sozialen Trägerin, hat ein Kind und ist alleinerziehend. Eigentlich will sie die Revolution, ein Care-Streik scheint ihr dazu ein legitimes Mittel.