Es waren enge, vollgeräumte und verrauchte Räume. In abgesessenen Couchsesseln saßen kettenrauchende Feministinnen, die stundenlang diskutierten und mit wahnwitzig wenig Ressourcen häufig bis in die Nacht ein richtig gutes Magazin produzierten. Ich war 18 Jahre jung, die Tutorin im Gender-Seminar hatte mir ein an.schläge-Praktikum vermittelt und es fühlte sich an wie ein Lottogewinn. Jedes Mal. Das erste Heft mit einer von mir selbst verfassten Kurzmeldung. Das erste Heft mit meinem Artikel. Das erste Heft als Redakteurin. Das erste Heft als koordinierende Redakteurin. Das erste Heft als Obfrau. 24 Jahre später soll es nun mein letztes Heft sein.
Die an.schläge waren als monatlich erscheinendes feministisches Magazin immer schon einzigartig im deutschsprachigen Raum. Aber für mich ist vor allem besonders, dass wir den Anspruch auf thematische Breite haben. Viele (prekär finanzierte) Medienprojekte fokussieren auf eine Zielgruppe, auf ein Themenspektrum. Wir wollten immer alles abdecken – ein feministisches Nachrichtenmagazin sein, das dem Medien-Malestream eine durch und durch feministische Perspektive entgegenstellt.
Vor zwanzig Jahren war mit dem Untertitel „feministisches Magazin“ alles gesagt. Es war – jenen, die wir ansprechen wollten – klar, wofür wir stehen. Unsere Leser*innen waren schon damals die besten und kritischsten auf dem Planeten. Es gab Abo-Kündigungen, weil wir zu viel über ein spezielles Thema schrieben oder weil wir zu wenig darüber machten. Den einen waren wir viel zu radikal, den anderen viel zu wenig. Es war damals schon ein Balanceakt, allen Ansprüchen gerecht zu werden.
Aber im Vergleich zu heute war es ein Kinderspiel. Die Selbstbeschreibung als „feministisch“ reicht bloß noch zur Abgrenzung vom konservativen Mainstream-Journalismus. Aber innerhalb der feministischen, linken, kritischen Szene sind mittlerweile unzählige Identitäten, Marginalisierungen und multidimensionale Perspektiven mitzudenken. Das ist gut so! Wir wollen im Sinne eines intersektionalen Feminismus all das sichtbar machen und diskutieren. Was nach außen nicht sichtbar ist, sind die Anstrengungen, die das an.schläge-Team dafür auf sich nimmt: Bei jeder Themenentscheidung, bei jeder Autor*in-Auswahl wird versucht, jede Perspektive mitzudenken – in teilweise stundenlangen Diskussionsprozessen.
Ich habe nun 24 Jahre in einem Medienprojekt verbracht, das aufgrund seines breiten Anspruchs versucht, Augen und Ohren in allen feministischen Diskursen zu haben. Das war schon immer ein Kraftakt. Im Vergleich zu den 1990er-Jahren braucht es heute dafür aber eine Ausdauer und einen Einsatz, die mir manchmal übermenschlich erscheinen. Wir haben die besten Leser*innen, aber auch die besten Mitarbeiter*innen.
Die wachsende Leser*innenschaft, die Aufmerksamkeit im Kontext der sich immer stärker ausdifferenzierenden Perspektiven und nicht zuletzt Social Media haben den Arbeits- und Kommunikationsaufwand in der an.schläge-Redaktion in den vergangenen Jahren explodieren lassen. Die Ressourcen sind nicht annähernd mitgewachsen. Deshalb gibt uns jedes Abo etwas mehr Luft, damit der Kraftakt noch etwas länger durchzuhalten ist.
Ich schreibe und denke immer noch „wir“. Obwohl das mein letzter Text als Redakteurin ist. Das wird auch noch eine Weile so bleiben. Ich hab meine gesamte Zeit als erwachsene Frau als Teil von an.schläge verbracht, habe viele Jahre mehr Zeit in der Redaktion verbracht als an jedem anderen Wohnsitz. Es bleibt ganz viel an.schläge in mir und hoffentlich auch etwas von mir in an.schläge. Jetzt ist es Zeit, mein liebstes Lebensprojekt zu übergeben, in vollstem Vertrauen, mit Liebe und Dankbarkeit. Save the world with feminism! •
1 Kommentar zu „Zum Abschied“
Meine liebe Gabi!
In meiner Erinnerung sind die an.schläge mit dir erwachsen geworden. Dein innerer Feminismus fand damit ein Ventil in die Gesellschaft. Ich bin sehr stolz auf dich und dass ich auch immer in dir sein darf. Annemarie