arbeitsfragen in allen lebenslagen
Wir sind verstreut über alle Flure und Familienverhältnisse, wir wissen noch gar nicht, dass es uns als Gruppe gibt. Doch bei jedem weiteren Gespräch, in dem das Wort „Abgrenzungsproblem“ auf taucht, bin ich erneut versucht, uns ein staubiges Hinterzimmer anzumieten, uns ein Logo zu verpassen und es vorne an der Straße ganz prominent zu platzieren: Folgen Sie dem Pfeil, keine Scheu, hier geht’s zum Club der Abgrenzungsproblemfälle! Sudern ist gra tis, Schnaps gibt’s umsonst.
Es beginnt am Morgen, wenn unter der Dusche der Bürostreit des vergangenen Tages wieder und wieder durchgespielt wird. Taucht tagsüber auf, anhand gekränkter KollegInnen oder Kritik an der eigenen Arbeit. Und endet mit dem kleinen Stapel Arbeit, der mit nach Hause genommen wird, um nichts unerledigt zu lassen. Beschweren wir uns, kommt als Antwort nur: „Du musst wirklich lernen, dich besser abzugrenzen.“ Zum Teufel nochmal, wie ich, wie E. und S. und B. und S. und all die anderen, wie wir diesen Satz hassen!
Verlässlich. Aufmerksam. Verantwortungsbewusst. Mit diesem Vokabular wurden wir in leitenden Positionen gelobt. (Zwischen ebenen, wohlgemerkt, nicht ganz oben.) Um jetzt gesagt zu bekom men, dass es genau diese Eigenschaften sind, die uns direttissima ins Burnout katapultieren werden. Es ist paradox.
Und natürlich wissen wir, jede Einzelne von uns, dass nur wir selbst die Situation ändern können. Die logische Präsidentin unseres Clubs hat deshalb die Notbremse gezogen und verkündet, am Wochenende und nach 23 Uhr jetzt aber wirklich keine Anrufe aus dem Büro mehr entgegenzunehmen. B. erzählt, dass sie nach niederschmetternd negativem Feedback gerne Nachrichten über Krisenregionen schaut, das relativiere alles. Und bei S. landen EMails, die nur aus Großbuchstaben und Rufzeichen bestehen, ab sofort im Papierkorb, ungelesen. Dann noch einen Schnaps drauf, und die Sache hat sich.
Elisabeth Gollackner übt als Journalistin in Wien die Gratwanderung zwischen Leidenschaft und Pragmatismus.