Kerosin95 erschafft auf „Trans Agenda Dynastie“ eine queere Utopie. Von Barbara Fohringer
„Keine cis hetero Typen sind erlaubt“, rappt Kerosin95 in „Bullshit Bingo 1.0“, dem zweiten Track der neuen EP. Die Richtung ist klar, wie es auch im titelgebenden Song „Trans Agenda Dynastie“ heißt: „Ich und meine trans* cuties feiern heut ein Fest.“
„Ich möchte in meiner künstlerischen Bubble mit queeren und mit trans Personen zusammenarbeiten – gerade auch bei einer EP, die den Titel ‚Trans Agenda Dynastie‘ trägt. Ich wollte eine Utopie schaffen und die Message rüberbringen: Trans Personen rulen einfach“, erzählt Kerosin95 im an.schläge-Gespräch. Die EP hat zwar nur fünf Songs, deckt aber eine Vielfalt an Themen ab: Während die ersten beiden Tracks TERFs bzw. nervigen weißen hetero cis Dudes den Kampf ansagen, wird es bei „Puppy“ und „4ever“ (feat. Nenda) ruhiger und melodischer, bevor „Standort“ uns wieder zurück auf den Dancefloor schickt.
Zusammenarbeit. Seit 2019 gibt es Musik von Kerosin95 zu hören. Songs wie „Außen hart, innen flauschig“ oder „Nie wieder Gastro“ zeigten schnell, wohin die Reise geht: Eine Mischung aus Rap, Trap Beats und Anleihen von Pop bzw. Indie – und das in deutscher Sprache. 2021 folgte das Debütalbum, das schlicht mit „Volume 1“ betitelt wurde, und mit Songs wie „Heeey“, „Nie wieder fühlen“, „Futter“ oder „Shiver“ (feat. Mira Lu Kovacs) zu begeistern wusste. Bereits damals arbeitete Kerosin95 mit Producer Monophobe (Maximilian Walch) an einem Track, eine künstlerische Zusammenarbeit, die nun ihre Fortführung findet: „Es hat uns beiden sehr gefallen, daher dachte ich daran, wieder mit Max im Studio sein zu wollen.“ Überhaupt scheint Zusammenarbeit für Kerosin95 eine große Bedeutung zu haben. So war etwa Lena Kuzmich für die visuelle Gestaltung der EP zuständig: „Ich habe viel Material gesammelt, aber es ist schlussendlich Lena Kuzmichs Projekt, das ich dann mit meiner Musik aufgreife – so fühlt es sich zumindest für mich an.“ Nenda ist indes auf „Puppy“ zu hören, eine Allianz, die auf Social Media ihren Anfang nahm: „Ich habe Nenda über Instagram angefragt, denn dort bekomme ich – trotz aller Kritik, die ich an Plattformen wie dieser habe – sehr viel über FLINTA-Rapperinnen und -Artists mit.“ Die queere Bubble in Wien sei ohnehin überschaubar, so Kerosin95: „Wien ist einfach ein Dorf und daher bekommt man schnell mit, was andere coole Queers so machen.“
Zukunftspläne. Die Arbeit an der EP habe ungefähr sechs bis neun Monate gedauert, auch live wird es die neuen Songs bald zu hören geben. Über die künftigen Auftritte mit dem neu zusammengestellten Ensemble heißt es von Kerosin95: „Ich bin super excited. Es gibt eine größere Besetzung mit vielen neuen Musiker*innen.“ Künftig will Kerosin95 „weiterhin Musik releasen, Konzerte spielen und mit vielen queeren und trans Personen arbeiten“; neuer Merch sei ebenso bald verfügbar. Angesprochen auf die österreichische Musiklandschaft erinnert Kerosin95 an eine Aussage von Farce über den Unterschied zwischen Industrie und Szene: „Ich finde die Industrie langweilig, aber die Szene großartig.“ Kerosin95 selbst wurde dank elterlicher Unterstützung viel Musikunterricht ermöglicht, daher erinnert Kerosin95 auch an die Privilegien, die mit dem Musikschaffen zusammenhängen. Angesprochen auf den Fokus manch vergangener Medienberichte sagt Kerosin95: „Ich werde oft auf das Thema Wut angesprochen, da ich anfangs einmal das Wort ‚Wut‘ gedroppt habe und seither geht es in unglaublich vielen Interviews um ‚Kerosin95 und die Wut‘. Es geht in den Songs und beim Projekt Kerosin95 um mein Überleben als trans Person, um meine Lebensrealität und um mich als Person, die die ganze Zeit zum Politikum gemacht wird. Ich will einfach nur existieren und Musik machen.“ •