Die Dominatrix MISTRESS VELVET peitscht ihren weißen Kunden* Schwarze feministische Theorie ein. KATHARINA PAYK interviewte sie für an.schläge.
Mistress Velvet ist eine „ghanaische Göttin“, wie sie sich selbst nennt, „Chicago’s Premier African domme & goddess“, steht auf ihrer Webseite, wo man sie auch buchen kann – und zwar nicht ihre Dienste, sondern andersherum: Velvets Kund_innen dienen ihr. Neben ihrer Arbeit als Dominatrix leitet sie Workshops zum Thema Femdom – weiblicher* erotischer Dominanz. Als Feministin beschäftigt sie sich mit Audre Lorde und Patricia Hill Collins, deren Beiträge sie in ihre Arbeit einbaut.
Männer bezahlen sie dafür, von ihr gedemütigt zu werden. Und lernen dabei noch, feministisch und antirassistisch zu denken.
an.schläge: Du arbeitest als Dominatrix – eine Frau, die Männer oder andere Gender dominiert. Sie buchen dich, um etwa gespankt, geschlagen, gedemütigt oder gefesselt zu werden. Warum und wann hast du entschieden, damit Geld zu verdienen? Wer kommt zu dir?
Mistress Velvet: Ich wurde vor vier Jahren eine professionelle Dominatrix. Eine Freundin von mir erzählte mir von ihren Erfahrungen und das war für mich unheimlich faszinierend. Als Feministin und Antikapitalistin hat sich bei mir sehr viel Wut aufgestaut – gegen weiße Vormachtstellung, das Patriarchat und andere unterdrückerische Systeme. Eine Dominatrix zu werden, erschien mir wie der natürlichste nächste Schritt in meinem Leben – ein Ventil und ein Werkzeug zur Entschädigung. Die meisten meiner Kund_innen sind weiße Männer, aber ich akzeptiere jede_n als Kund_in, ganz unabhängig von race und gender.
Es liegt nahe, Femdom, also weibliche* erotische Dominanz, als hochgradig feministischen Akt zu sehen. Aber du toppst das noch: Du lehrst weißen Männern Schwarze feministische Theorie, während du sie dominierst. Wie sieht das konkret aus?
Dass ich meinen „Sklaven“ Schwarze feministische Theorien beibringe, ist eigentlich zufällig passiert. Ich hatte einen Sklaven, der mir von seinen Ängsten erzählte, er könnte rassistisch sein. Ich schlug ihm vor, einige der Beiträge zu lesen, die ich in meiner Zeit als Studentin kennengelernt hatte. Ich schickte ihm einige Seiten per E-Mail und bat ihn, eine Zusammenfassung darüber zu schreiben. Ich stellte daraufhin fest, dass das etwas war, das mir gefiel, und so bettete ich es in meine Arbeit ein. Theorien, die ich nahelege, sind u. a. marxistische Theorie, Black feminist theory, critical race theory, queer theory sowie Denkanstöße zu laufenden Ereignissen wie dem brutalen Vorgehen der Polizei, staatlicher Repression und Rechten von Migrant_innen.
Hat dieser feministische Kink nachhaltigen Einfluss auf das Leben deiner Kund_innen, glaubst du? Trägt er auch zum Persönlichkeitswachstum in deinem Leben bei?
Ich glaube, die Art von Spiel, mit der ich mich beschäftige, kann wirklich die Gedanken meiner Kund_innen verändern und ihnen neue Perspektiven eröffnen. Sie werden sich ihrer Rassismen und Sexismen bewusst, und ich gebe ihnen Handwerkszeug mit, wie sie ein möglichst wenig bescheuerter weißer Mann sein können. Ich erkläre ihnen das Konzept der Entschädigung und wie wichtig es ist, dass sie in allem, was sie tun, sich ihrer Privilegien und ihrer Beteiligung an Unterdrückung bewusst sind.
Es wirkt auch auf mein Leben ein. Ich habe solch eine tiefe und wichtige Beziehung zu Schwarzer feministischer Theorie. Sie fließt durch meine Adern und zeigt mir Wege auf, die Welt zu verstehen. Sie ist ein großer Teil meines Lebens und, wie gesagt, schien es einfach völlig naheliegend, sie in meine professionelle Arbeit als „Domme“ (Frau*, die sexuell/erotisch dominiert, Anm.) zu integrieren.
Definierst du dich selbst als Sexarbeiterin? Als Dominatrix arbeiten heißt ja nicht zwangsläufig, auch „klassisch“ Sex anzubieten. Hast du spezielle Grenzen?
Ich sehe mich als Sexarbeiterin, denn ich bin der Meinung, dass es viele verschiedene Arten von Sex gibt. Als eine Domme lasse ich mich nicht auf Sex mit den Kund_innen ein, und sie wissen, dass sie das nicht einmal fragen oder jemals von mir erwarten dürfen. Sie sind meiner nicht würdig! Ich habe mich aber auch mit anderen Formen von Sexarbeit beschäftigt und tue dies auch immer noch. Und deshalb sehe ich mich selbst auch als „Hure“ – eine Bezeichnung, die ich mit Stolz trage.
Mistress Velvet ist über www.miss-velvet.com erreichbar.