Eine an.schläge-Anekdote aus der an.schläge-REDAKTION
„Mittwoch ist Sitzung, kannst vorbeikommen“, wurde mir barsch beschieden. Ich hatte meinen ganzen Mut zusammengenommen und noch einmal angerufen, nachdem der Job für die an.schläge-Anzeigen-Aquise schon vergeben war: Ob ich vielleicht sonst irgendwie mitmachen könne?
Ein Bier musste ich vorher vor Aufregung trinken und war trotzdem schwitzig und zittrig, als ich an einem Mittwoch vor ungefähr fünfzehn Jahren Richtung Redaktion loszog – einer der großen Lieben meines Lebens entgegen.
Die Anzeigen-Aquise habe ich wenig später doch noch gemacht, niemand blieb lange bei der Stange („Wiiieee heißt die Zeitschrift, sagen Sie?“), wie so ziemlich alles andere im Laufe der Zeit auch irgendwann einmal, die Homepage mit HTML-Code-Gefitzel, die Grafik oder die Terminankündigungen etwa. Damals, als es im Netz außer „Konnys Lesbenseiten“ noch nicht viel gab, bedeutete das, sich stundenlang durch Berge von Flyern und Foldern wühlen zu müssen und am Ende nicht viel mehr als das schamanische Schwitzhüttenritual eines Frauenzentrums und den VHS-Beckenbodenkurs zusammenzukriegen.
Bald übernahm ich auch Koordinierende Redaktion, wie die Leitende Redaktion damals noch hieß, bevor wir uns selbst ein paar Leistungslorbeeren zugestanden. Sechzig Stunden für kaum mehr als 600 Euro im Monat arbeitete ich dafür anfangs. Als einzigen Redaktionsrausch habe ich diese Phase in Erinnerung, jahrelang am Leben gehalten von täglich einem Stück Gemüsepizza vom Anker und einem Becher Müllers Milchreis, den vor allem meine Kollegin Saskya Rudigier so liebte. Ketterauchen bei nächtelangen inhaltlichen Diskussionen, die antifeministischen SpötterInnen Munition für Jahre geliefert hätten („Was machen wir nun mit dem Artikel über Nekrophilie als queere Praxis?“), mühevolles kollektives Erarbeiten von grafischen Änderungen (nichts wurde je so emotional diskutiert wie das Layout!) und keine Produktion ohne persönliche oder professionelle Dramen – die Grenzen waren fließend.
Es gab noch kein Webmail (oder womöglich wussten wir auch einfach noch nichts davon?!), weshalb wir oft bis spät nachts auf einen Artikel warteten oder sonntags nur zum Mail-Checken in die Redaktion fahren mussten. Dafür gab es dort einen Schlafsack für die stressige Produktionsphase, die immer bis spätestens freitagabends um 22 Uhr beendet sein musste. Dann schloss die Post am Schwedenplatz, zu der wir die CD mit den Daten für die Druckerei bringen mussten. War das vollbracht, planten wir bei einem Bier ungebrochen euphorisch und energiegeladen das Wochenende, meist verbrachten wir es mit an.schläge-tv-Videoschnitt oder der Vorbereitung für irgendeine an.schläge-Veranstaltung.
Ich möchte diese Zeiten um nichts in der Welt missen. Und bin trotzdem irre froh, dass sie sich geändert haben.
Lea Susemichel ist seit 2006 leitende an.schläge-Redakteurin.