Die Literaturwissenschaftlerin BRITTA ZANGEN war lange in der Partei „Die Frauen“ aktiv. FIONA SARA SCHMIDT erzählte sie von der Gründung der Partei und warum sie nach zehn Jahren wieder aus ihr austrat.
an.schläge: Sie sind Jahrgang ’47 und haben sich allmählich emanzipiert: Begonnen haben Sie in der elterlichen Firma, es folgte ein Lehramtsstudium, später die Promotion in Anglistik. Wie begann Ihr feministisches Engagement?
Britta Zangen: Durch einen Mann! Nach einer langen Ehe kam ich mit 43 in eine neue Partnerschaft. Mein damaliger Freund unterrichtete Soziologie und nahm mit den Schüler_innen auch die Frauenbewegung durch, er war auf dem Gebiet sehr bewandert. Binnen eines halben Jahres habe ich alle klassischen feministischen Texte nachgelesen. Mir fiel es wie Schuppen von den Augen, wie traditionell ich mich in all den Jahren vorher verhalten hatte, und ich machte eine rasante Entwicklung durch. Ich suchte nach einem Ort für feministisches Engagement und stieß in Düsseldorf auf eine Gruppe, die den Frauenstreik im März 1994 vorbereitete.
Wie ging es nach dem Streik weiter?
Dort trafen sich ganz unterschiedliche Frauen, die mich offen und liebenswürdig aufnahmen. Wir wollten das neu geschaffene bundesweite Netzwerk nicht im Sande verlaufen lassen. Es standen drei Möglichkeiten zur Wahl: die Gründung eines Vereins, einer Partei oder ein offenes Miteinander. Ich habe von Anfang an für die Gründung einer Partei plädiert, auch wenn wir nicht die Mehrheit hatten. 22 von uns haben dann an einem Wochenende im Juni 1994 „Die Frauen“ beschlossen und gegründet. Die Zusammensetzung war sehr gemischt, die treibende Kraft waren Feministinnen aus den 1960er und -70er Jahren. Außerdem waren ganz viele frauenbewegte Frauen dabei, die von der SPD und vor allem den Grünen frauenpolitisch maßlos enttäuscht waren. Gerade sie hatten sich besonders viel erhofft, doch die Männer dort waren nur verbal besser als anderswo, aber nicht in der Tat. Der Vorteil war, dass sich mehrere mit Parteipolitik auskannten – ich zum Beispiel hatte nicht den blassesten Schimmer – und wir flott voranmachen konnten. Binnen eines Dreivierteljahres standen Satzung und Programm.
Gab es Vorbilder?
Nein, obwohl wir später erfahren mussten, dass wir die siebzehnten waren! Jede Frauenpartei fängt wieder bei Null an und glaubt, das Rad neu erfinden zu müssen.
Was waren die Ziele der Partei? Und was haben Sie sich im Vergleich zum außerparlamentarischen Engagement von den institutionellen Möglichkeiten erhofft?
Die Grünen und die SPD hatten zwar Frauenförderung in ihren Programmen, aber Papier ist geduldig. Wir waren der Meinung, wenn wir nachhaltig etwas ändern wollen, dann müssen wir an die Schalthebel der Macht. Und das ist in der parlamentarischen Demokratie nur in Parteien möglich. Es geht nicht darum, ob ich das schön finde oder nicht – ich finde es saublöd. Wir wollten an die Macht, im positiven Sinne von etwas gestalten können. Merkel wäre heute nicht an der Macht ohne Parteistrukturen. Diese Argumentationskette war damals für alle unbestritten. Mir steigt heute noch die Schamesröte ins Gesicht, aber ich habe allen Ernstes geglaubt, dass wir im ersten Anlauf über die Fünf-Prozent-Hürde kommen. Es gab auch Realistinnen, aber ich war auch nicht die einzige, die dachte, es gäbe genügend Frauen und einige Männer, die uns fröhlich und glücklich wählen würden. Wenn wir gewusst hätten, wie schwierig alles ist, hätten wir es nicht getan. Jahrelang haben viele, viele Frauen mit großem Einsatz von Arbeit und Geld gearbeitet. Erst wurde der Bundesverband gegründet, dann die Regionalverbände.
War die Dreifachbelastung Familie-Beruf-Partei für viele Frauen ein Problem?
Natürlich, aber daran sind wir nicht gescheitert. Es gab auch immer wieder neue Frauen, die sich engagieren wollten.
Was störte Sie an der Parteiarbeit?
Es gab ein Schlüsselerlebnis. Meine Mitfrauen hatten mich geholt, um in Frankfurt im Wahlkampf zu sprechen. Ich saß mit Frauen aus fünf anderen Parteien auf dem Podium. Nachdem von der Moderatorin eine Frage gestellt wurde, kam ich jeweils als letzte an die Reihe. Und bis ich an der Reihe war, hatten die fünf anderen eigentlich immer schon alles gesagt. Privat hätte ich Frau A in diesem und Frau C in jenem Punkt zugestimmt. Aber so funktioniert das nicht in der Politik: Ich musste so tun, als hätten alle Unsinn geredet und ich die Weisheit mit Löffeln gefressen. Es muss immer getan werden, als wäre die eigene Lösung die einzig mögliche.
Warum sind Sie 2005 nach zehn Jahren ausgetreten?
Für mich war es ganz klar die Erfolglosigkeit. Wenn ich etwas anpacke, muss ich auch Erfolg sehen. Wir krebsten immer bei Nullkommairgendwas herum, es ging nicht aufwärts, und es war abzusehen, dass von fünf Prozent nicht annähernd die Rede sein konnte.
Also gaben nicht persönliche Konflikte den Ausschlag?
Konflikte waren immer da, das ist auch ganz normal. Ich bin konfliktfähig, das war nicht mein Problem. Aber ich bin einfach nicht geboren für Erfolglosigkeit. Und ich kann eigentlich auch nicht sagen, dass es etwas mit den anderen Frauen zu tun hatte. Eine Bekannte von mir vertrat von Anfang an die These, dass uns die Männer mit ihrem – selbstverständlich anerzogenen – Willen zur Macht und ihrer Zielstrebigkeit fehlen würden. Da könnte was dran sein. Es war immer klar, dass wir eine Partei sind und keine Selbsthilfegruppe. Etwa wenn es um die Abrechnung beim Bund ging, eine ernste Sache. Ein kleiner, nicht unerheblicher Teil hielt gute Organisation und Orientierung an Energie und Durchsetzungskraft für negativ. Dann hieß es, das sei Aneignung männlicher Strukturen. So etwas ist nervig und könnte gemeinsam mit Männern besser laufen. Außerdem hätte ich nie gedacht, dass es eine Phase in meinem Leben gäbe, in der ich offensiv heterosexuell sein muss. In der Anfangszeit griff eine Gruppe von Lesben die Hetero-Frauen grundsätzlich an. Für mich war es nie ein Ding, aber da ich nicht so leicht einzuschüchtern bin, sah ich mich gezwungen, meine sexuelle Orientierung zu verteidigen.
Wie sehen Sie die Zeit im Rückblick?
Ich treffe mich regelmäßig mit Freundinnen von damals. Wir alle möchten die Zeit nicht missen und haben persönlich viel gelernt, vor allem über parlamentarische Demokratie. Wenn wir in der Zeitung etwa über Parteiausschlüsse lesen, wissen wir auf einer ganz anderen Ebene, was das bedeutet. Es ist furchtbar, für jeden Pups auf jeder Ebene eine Mehrheit zu erkämpfen. Das kostet viel Kraft. Ich habe zwar radikal mit allem abgeschlossen, aber ich kenne keine, die die Zeit bereut.
Wie sehen Sie die Arbeit der Frauenparteien als nunmehr Außenstehende? Hat der neu gegründete europäische Dachverband eine Chance?
Als ich über den Zusammenschluss las, dachte ich: Ach Gott, wieder so ein paar arme Irre … Ich glaube nicht, dass sie es schaffen, es ist der falsche Weg. Theoretisch halte ich Frauenparteien nach wie vor für eine gute Idee, praktisch aber nicht.
Wie sollen dann feministische Ziele erreicht werden?
Wir können im Freundes-, Familien- oder Bekanntenkreis viel bewegen. Ich zum Beispiel habe einen reaktionären Bruder … Am besten ist es natürlich, gut informiert und in aller Sachlichkeit sofort gegen den alltäglichen Sexismus und Diskriminierung vorgehen. Ehrenamtlich Frauen unterstützen, ihren Platz zu finden. Wären alle Frauen im Alltag feministisch, könnten wir die Gesellschaft binnen zweier Generationen auf den Kopf stellen. Aber über eine Minderheit wird gelacht, und wir sind leider noch in der Minderheit.
Heute schreiben Sie Bücher wie den Ratgeber „50 plus und endlich allein“ und treten mit Liedern von Kurt Weill auf. Wie kam es dazu?
Ich brauche alle paar Jahre etwas Neues. Wenn ich etwas kann, werde ich kribbelig. Ich nahm Gesangsunterricht, bin aber leider nicht Alt, sondern Sopran. In Opernliedern sind die Sopranistinnen aber immer die jungen, dusseligen Kühe. So kam ich zu Weill – er ist genau der Richtige für mich. Für eine Karriere bin ich aber jetzt zu alt, ich mag nicht mit Kleinkunst durch die Gasthäuser tingeln. Seit zwei oder drei Jahren schreibe ich auch Theaterstücke, die Komödie „Da wird ein Mann schwanger!“ wird jetzt veröffentlicht, und ich nehme an Wettbewerben teil. Für die Schublade habe ich nie geschrieben, ich halte es für glatt gelogen, wenn Leute so etwas behaupten.