Der Lockdown stellte für viele LGBTIQ-Personen eine große Bedrohung dar. Vor allem für jene, die von ihren Familien diskriminiert oder gar bedroht werden und für die durch Corona plötzlich wichtige Zufluchtsorte wegfielen. Die Familie ist für viele Menschen eben kein sicherer Ort. Deshalb sind queerfreundliche Schutzräume so ungeheuer wichtig. Aber auch Repräsentation und Sichtbarkeit sind elementar, um die Gleichstellung in der Gesellschaft voranzutreiben. Corona hat aber nicht nur Räume verschlossen, die Pandemie hat auch queere Lebensweisen unsichtbarer gemacht. Hinzu kommt eine angespannte Grundstimmung in der Bevölkerung, die ein Nährboden für Gewalt ist. Das spiegelt sich in den zunehmenden Anfeindungen und Gewalttaten gegenüber LGBTIQ-Personen europaweit wider. Dieser Hass gehört zum Alltag vieler Queers. Für mich und für viele andere, die nicht in Heterobeziehungen leben und/oder nicht der binären Geschlechterordnung angehören, ist die Auszeichnung „queer friendly“ also von zentraler Bedeutung. Wir planen unseren Alltag danach, googeln die Orte, die wir besuchen wollen, damit wir uns nicht in Gefahr begeben. Denn der öffentliche Raum ist weit davon entfernt, sicher zu sein. Das Wissen darum ist unser täglicher Begleiter, wenn wir zum Beispiel überlegen, ob ein Kuss und eine liebevolle Geste Partner*innen in Gefahr bringen könnten. Oder wenn wir uns vor dem Kleiderschrank die Frage stellen: Habe ich heute genug Energie und fühle mich stark genug, um mich so anzuziehen, wie ich mich am wohlsten fühle? Queerfreundlich heißt, dass wir willkommen sind. So wie wir sind, mit denen, die wir lieben, queer friendly bedeutet Sicherheit.
Leicht vergisst man, dass homosexuelle Liebe in 15 Ländern mit dem Tod bestraft wird. In mindestens 45 Staaten wurden homosexuelle Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung im vergangenen Jahr getötet. Einer dieser Menschen ist Sara Hegazi, die 2017 verhaftet wurde, weil sie auf einem Konzert eine Regenbogenflagge hochhielt. Die ägyptische LGBTIQ-Aktivistin wurde in der Haft gefoltert und nahm sich nach ihrer Entlassung und Flucht nach Kanada 2020 das Leben. In einem dieser Länder, in denen Homosexuelle öffentlich gesteinigt werden, ist meine Freundin aufgewachsen. Im vermeintlich sicheren Hafen Europa ist sie momentan mehrmals wöchentlich mit Anfeindungen, Beschimpfungen und Gewaltandrohungen im öffentlichen Raum konfrontiert. Die gesetzlichen Verschärfungen und die Hetze gegen LGBTIQ-Personen, beispielsweise in Ungarn, befördern diesen Alltagshass auch anderswo. Zumindest hat die EU nun ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn eingeleitet. Trotzdem fühlen sich viele durch diese politischen Entwicklungen in ihrem Hass und ihrer Verachtung bestätigt. Denn es geht bei diesem Gesetz, das die Repräsentation von queerem Leben und Lieben in Büchern, Filmen, Medien oder auch in der Werbung verbietet, eben darum, LGBTIQ-Personen zu stigmatisieren.
Obwohl Österreich laut Gay Travel Index auf Platz vier des Rankings der homofreundlichsten Länder liegt, nehmen auch hier die homo- und transfeindlichen Übergriffe zu, das zeigt ein Bericht der sozialdemokratischen LGBTIQ-Organisation SoHo. Darin heißt es, dass die Bedrohungen, Beschimpfungen und Körperverletzungen in einem äußerst besorgniserregenden, für Österreich bisher ungekannten Ausmaß zunehmen. Insbesondere rund um die Pride Parade 2021 kam es zu entsprechenden Vorfällen. So wurde in Bregenz aus einer Schreckschusspistole gefeuert, in Wien wurde ein LGBTIQ-feindliches Transparent entrollt und in Klagenfurt kam es zu Beschimpfungen und Spuck-Attacken.
Der öffentliche Raum ist also auch hierzulande queerfeindlich – und das muss sich ändern. Hier ist auch die Politik gefordert. Es sind auch unsere Straßen! Wir waren zwar die letzten anderthalb Jahre weniger sichtbar, aber wir waren nie weg und haben ein Recht auf einen sicheren öffentlichen Raum. Immer und überall! Passt aufeinander auf und holt euch eure Straßen zurück! •