eine lady genießt und schreibt
Vor dem Siegeszug des Breitbandinternets aufzuwachsen, prägte auch mein Sexualleben nachhaltig: Als ich Anfang der 1990er-Jahre die Freuden sexueller Selbstbeschäftigung entdeckte, war an Hardcore-Pornografie nicht zu denken. Alte „Playboy“-Ausgaben waren das Schmutzigste, das ich in die Finger bekam, und in den heimlich im Nachtprogramm erspähten Soft-Sexfilmchen dominierte das komödiantische Element eindeutig das Laien-Gestöhne. Masturbations-Vorlagen fand ich trotzdem – in Form von „Take That“-Videos. Mark Owen, der sich im zarten Alter von 21 in „Pray“ mit nacktem Oberkörper lasziv am Strand räkelte, wurde zu meiner Boyband-Einstiegsdroge, in „Relight My Fire“ verliebte ich mich in seine Dance-Moves im bauchfreien Shirt (das waren die 90er!). Am meisten angetan hatte es mir allerdings das Video zu „Could It Be Magic“, in dem Mark erst unglaublich provokant sein weißes Unterhemd nach oben schiebt und dann in Liegestütz-Position mit seinen Hüften mehr als eindeutige Bewegungen vollführt. Diese Stelle spulte ich für den Gebrauch bei Solo-Dates so oft zurück, bis das Band der VHS-Kassette riss. Zum Runterkommen diente das Close-up seines verschwitztes Delfin-Tattoos auf Hüfthöhe (wie gesagt, die 90er). Babyface-Mark spielte in meinen sexuellen Fantasien so viele versaute Rollen – wäre ich heute Musikjournalistin und müsste ihn interviewen, ich könnte ihm nicht in die Augen schauen.
25 Jahre später prägt die Zeit des sexuellen Erwachens noch immer meine Sehgewohnheiten. Auch wenn ich mittlerweile gut gemachte Pornografie durchaus zu schätzen weiß, es bleibt oft der Nachgeschmack von lauwarmem Fast Food: schnell verfügbar und sättigend, das gewisse Etwas fehlt dann aber doch. Nach wie vor bin ich auf der Suche nach Mark-Owen-Momenten, die vieles der Fantasie überlassen und die ich heute meist in Hollywood finde. Gael Garcia Bernal, wie er in „Y tu mama tambien“ zärtlich Diego Luna küsst und dabei sein Gesicht in den Händen hält – meine Youtube-Playlist ist lang. Material für das Drei-Sterne-Menü im Einzelzimmer.
Lotta Luise bedankt sich und sagt Bye – das war ihr letzter Kolumnentext.
