An „Barbie“ kommt aktuell niemand vorbei: Schon jetzt ist der Blockbuster an den Kinokassen der erfolgreichste Film einer Regisseurin aller Zeiten. Aber ist „Barbie“ auch feministisch? Lea Susemichel und Brigitte Theißl, die beiden leitenden an.schläge-Redakteurinnen, sind sich da nicht einig.
Okay, mal ehrlich: Dass „Barbie“ ein mit 145 Millionen Dollar aufgepumpter Werbefilm für Mattel ist, lässt sich nicht einfach beiseite wischen. Ein Barbie-Drama in Spielfilmlänge, das die Kritik an der normschönen Plastikwelt gleich mitliefert – so gerissen spielt der Late-Stage Capitalism seine Trümpfe aus. „Barbie – The Movie“ hätte aber auch so ausfallen können, wie es sich die zornig schäumenden Fundis (Männerhass! Feministisches Propagandawerk!) wünschen: Eine öde Barbie-Reise durchs Wunderland, die auf ein Traualtar-Finale vor der Kulisse des Malibu Beach hinausläuft.
Was Produzentin Margot Robbie und Regisseurin Greta Gerwig da abgeliefert haben, ist aber tatsächlich ein feministischer Film, eine mal zuckersüße, mal beißende Satire – für ein erwachsenes Publikum. In Barbieland herrscht eine Art Matriarchat, Barbies werkeln auf der Baustelle und im Oval Office, Accessoire Ken bekommt erst durch Barbies Blick Relevanz – und muss sich im Alltag mit, nun ja, „Beach“ begnügen. Seine Emanzipation hin zur eigenständigen Persönlichkeit punktet mit Musical-Einlage und einer ganzen Palette an popkulturellen Referenzen, Abrechnung mit der Incel-Macker-Online-Welt inklusive.
Aus dem gewaltigen Budget hat Gerwig definitiv das Beste rausgeholt, den Oscar für die beste Ausstattung dürften die Macher:innen wohl schon fix in der Tasche haben. Herausragend machen Gerwigs Filme aber wie so oft ein ganz banaler Umstand. Die Regisseurin schafft es doch tatsächlich, ebenso spannende wie herzerwärmende Geschichten über Frauen (und ihre Freundinnen) zu erzählen und kommt dabei ganz ohne die ewige Suche nach dem (Hetero-)Liebesglück aus – im Hollywood der 2020er-Jahre immer noch erschreckend revolutionär. Wenn America Ferrera alias Gloria in ihrem jetzt schon berühmten Monolog übers Frausein bei Kinobesucherinnen für feuchte Augen sorgt, mag das im Großen und Ganzen ein neoliberaler Feminismus sein, den Barbie uns da verkauft. Vielleicht sollten wir von einem „Barbie“-Blockbuster aber auch keine Revolution erwarten. Sondern es einfach feiern, dass verdammt viele Frauen sich durch diesen Film offenbar gesehen fühlen. Brigitte Theißl
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Barbie ist böse. Punkt. Meine Mutter weigerte sich nicht nur kategorisch, mir eine zu kaufen, sondern entsorgte auch das Weihnachtspaket meiner Tante Ruth aus Kalifornien – darin eine Crystal-Barbie im Leuchtkleid – ohne mit der Wimper zu zucken. Ich habe diese Familientradition eiskalt fortgesetzt. Meine Tochter hat sich vielleicht nur deshalb nie für Barbies interessiert, weil sie sich sicher sein konnte, dass sie sich nichts eingehandelt hätte als oldschool-radikalfeministische Empörung über Körpermaße, mit denen ein Mensch gar nicht lebensfähig wäre. Bei Barbie bin ich so militant wie meine Mama.
Popfeministische Subversionssehnsüchte my ass! Kinder können nicht mit ironischer Distanz mit Barbies spielen. Sie können sie vollkritzeln und ihnen Beine ausreißen, an Herz und Hirn wird ihnen das blonde Plastik dennoch gehen.
Der Barbie-Film zeigt überdeutlich, dass Ironisierung übel nach hinten losgehen kann. Sein Erfolg wirkt eben nicht gegen die Fetischisierung der Barbie und allem, wofür das Dreamhouse in Pantone 219 steht. Er fördert diesen Fetisch gewaltig.
In der Barbie-Biografie feministischer Fans mag es die Nostalgie zärtlicher Verachtung für diesen Spielzeug gewordenen Sexismus geben. Doch im Blockbuster vereindeutigt sich die angekündigte Ambivalenz unversehens zu einer Liebeserklärung an Barbie, in der die Kritik sehr kleinlaut bleibt und am Ende Kens Krise im Mittelpunkt steht.
Selbst die urkomische Kate McKinnon als „Weird Barbie” (die übrigens soeben als neue Barbiepuppe gelauncht wurde, kannste dir nicht ausdenken) ist machtlos gegen den Fluch neoliberaler Kooptation. Der Turbokapitalismus frisst seine Kritikerinnen. Mattel kann nun also ganz zurückgelehnt selbst das feministische Abarbeiten an seinem Produkt kapitalisieren. Das Feminist-Washing bringt ihm Credibility, ohne dass der zweitgrößte Spielzeugkonzern der Welt dafür auch nur das Geringste an seiner Unternehmenspolitik ändern muss. Viele naschen dabei am Milliardengeschäft mit und verkaufen, wie das Modelabel Zara, eigene Barbie-Kollektionen. Barbie ist böse. Punkt. Lea Susemichel •