Als Teenager ist einem alles peinlich. Die Eltern zum Beispiel, wenn der Vater am Strand einen Badeslip trägt, statt – wie alle anderen Männer – Badeshorts. Auch das eigene Aussehen war mir lange unangenehm, ein Klassiker der Teenagerprobleme.
In meinem Fall gehörte aber auch die Musik dazu, die ich in der Öffentlichkeit nur heimlich hörte. In Dauerschleife klang aus meinen Kopfhörern Pop aus Tokyo und Seoul – aber wehe, jemand bekam davon Wind. Sobald ich in die Nähe des Schulhofs kam, drehte ich die Musik leise.
Zehn Jahre später könnte ich mich fragen, was meine Musik von jener der anderen unterschied, doch die Antwort liegt auf der Hand: sehr wenig. Ich hörte japanische Singer-Songwriter, die ein Liebeslied nach dem anderen raushauten, sie waren Japans Taylor Swifts und Rihannas. Ich hörte koreanische Männerbands, die in ihren Musikvideos Tänze aufführten, und reiste bis nach Paris, um auf ihren Konzerten zu kreischen – wie es andere bei Coldplay taten. Aber alles, was nicht der amerikanischen oder deutschen Mainstreamproduktion angehörte, wurde bespöttelt. Und das wollte ich in der Schule um jeden Preis vermeiden: Ich hatte keine Lust, den Stempel der Außenseiterin zu haben.
Seit meinem Schulabschluss sind zehn Jahre vergangen, ein bisschen ist ost-asiatischer Kitsch auch in Europa angekommen. Angefangen mit „Gangnam Style“ hat koreanische Popmusik auch dank TikTok an Popularität gewonnen, ganz vorn mit dabei sind BTS und Blackpink. Wirklich Mainstream ist ihre Musik in Europa trotzdem nicht. Heartthrobs sind Jungs wie jene von BTS für die meisten auch nicht, dafür sind sie für nicht-asiatische Augen nicht „männlich genug“ – als gäbe es eine globale Definition der Männlichkeit. Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten, auch beim Pop. Aber nicht, wenn der Unterschied lediglich in Sprache und Aussehen liegt.
Shoko Bethke ist Kolumnistin von neuland und Nachrichtenchefin bei der taz Tageszeitung. Außerdem schreibt sie als freie Autorin für weitere Medien.