Verena Altenberger überzeugt als „Buhlschaft“ ebenso wie als TV-Kommissarin. Seit Kurzem steht die Schauspielerin auch an der Spitze der Akademie des österreichischen Films. Von Anna Steinbauer
Wenn Verena Altenberger sich auf eine Rolle vorbereitet, stürzt sie sich mit Leib und Seele in die Recherche. Da kann es schon passieren, dass sie monatelang in einer WG ein- und ausgeht, in der drogenabhängige Menschen leben, polnische Dialoge auswendig lernt oder sich eine Glatze rasiert, um vollkommen in die Lebenswelt der Figuren einzutauchen. Zuletzt kletterte die 34-jährige Schauspielerin für den ARD-Zweiteiler „Riesending“ vier Wochen lang durch kroatische Höhlen. „Mein Futter ist die Recherche und das echte Leben. Ich möchte immer Dinge erlebt haben, die meine Rolle auch erlebt hat“, erzählt sie im Zoom-Gespräch. Die Begeisterung der Wahlwienerin für ihren Beruf spürt man förmlich durch den Bildschirm hindurch. Sie ist ansteckend. „Das Spannende ist das Beobachten, das sehr viel Mut kostet, weil man offen auf Menschen zugehen muss“, sagt Altenberger. „Da gehen andere Welten im Kopf auf und in Zukunft schaut man immer anders auf die Dinge.“ Verena Altenberger spricht sieben Sprachen, hat fast jede Sportart zumindest einmal ausprobiert und besitzt einen Waffenschein.
Seit ihrer Kindheit habe sie „Fähigkeiten gesammelt“, erzählt die gebürtige Pongauerin – weil man die vielleicht ja mal brauchen könnte, denn: „Das Glück trifft die Vorbereitete.“ Für ihre Rolle der Polizeioberkommissarin Elisabeth Eyckhoff im Münchner „Polizeiruf 110“, die sie seit 2019 verkörpert, ist es zumindest ein technischer Vorteil, dass sie mit einer Waffe umgehen kann. Meist spielt Altenberger eigenwillige und unangepasste Frauen und wählt ihre Rollen sorgsam aus – mit großem Erfolg: Nach ihrem Schauspielstudium an der MUK Wien und einigen ersten Rollen am Burgtheater und Volkstheater startete sie 2017 zeitgleich in die Film- und Fernsehwelt. Als drogenabhängige Mutter gab sie ihr Debüt in Adrian Goigingers „Die beste aller Welten“ auf der Berlinale, während zeitgleich die RTL-Comedy-Sitcom „Magda macht das schon“ lief, in der sie die Titelrolle der polnischen Altenpflegerin spielte. Nur ein Wochenende lag zwischen der Arbeit an den beiden Projekten: An einem Freitag drehte Altenberger das Drama ab und stand am folgenden Montag bereits für die Comedy vor der Kamera. „Ich habe mich erstmal rasiert und die Monobraue weggezupft. Für ‚Die beste alle Welten‘ hatte ich das neun Monate lang nicht getan. Das allein war erstmal ein krasser Akt der Veränderung“, so die Schauspielerin.
Eine ebenso radikale Veränderung bescherte Verena Altenberger ihrem Publikum im vergangenen Sommer bei den Salzburger Festspielen: Sie stand als Buhlschaft im „Jedermann“ mit Glatze auf der Bühne. Die hatte sie sich für den Film „Unter der Haut der Stadt“ rasiert, in dem sie eine krebskranke Frau spielte. Der rasierte Kopf sorgte auch 2021 noch für Schlagzeilen; Hasskommentare und sexistische Beleidigungen prasselten auf sie ein. Noch immer äußern sich fremde Männer auf Instagram zu ihrer Frisur, worauf Altenberger oft mit Humor reagiert. „Ich hätte nie im Leben gedacht, dass es irgendjemanden interessiert, dass ich meinen Kopf rasiert habe“, erzählt Altenberger. Selbst auf der Straße reagierten Männer aggressiv auf sie. „In dem Moment, in dem meine Haare ab waren, wurde mir meine Weiblichkeit abgesprochen.“
Seit November 2021 ist Altenberger Präsidentin der Akademie des österreichischen Films; gemeinsam mit Regisseur und Produzent Arash T. Riahi steht sie an der Spitze. Obwohl die Anfrage sie zunächst überforderte, wollte sie diese Chance nutzen, weil sie wichtig findet, was Riahi und sie repräsentieren – ein Kind iranischer Geflüchteter und eine junge Frau in Leitungsfunktion. „Wenn ich mir mehr junge Frauen in diesen Positionen wünsche, dann muss ich halt vielleicht auch selbst die junge Frau sein, die sie übernimmt“, sagt Altenberger. •