Medizin und Pharmamedizin haben die Wechseljahre in einen Kampf gegen das Altern verwandelt. Eine Gegenrede von BÄRBEL DANNEBERG
Damals, ich war 43 Jahre alt und frisch verliebt. Verhütung? Aber wo denn. Ich war beruflich einigermaßen abgesichert und in einer Lebensphase, in der ich meinte, Zeit, Kraft und finanzielle Ressourcen für ein weiteres Kind aufzubringen, nach meinen beiden Mädchen, die ich viel zu früh und unerfahren bekommen hatte. Endlich eine Partnerschaft, die nach den etlichen gescheiterten gut funktionierte. Der Wunsch keimte, etwas Verantwortungsvolles gemeinsam planen und verwirklichen zu können, nachdem ich bisher die meisten Jahre alleinerziehend gemeistert hatte.
Meine Regel blieb aus. Guter Hoffnung richteten wir gedanklich ein Kinderzimmer ein. Meine Mädchen waren schon groß, was würden sie über ein Geschwisterchen sagen, dem sie vielleicht Tanten sein könnten?
Meine Regel kam. Egal, sagten wir. Doch wenn ein „Wechselbälgchen“ käme, wäre es uns recht. Ein Kind als „Krönung“ unserer Liebe war zwar nicht unser Ziel, aber wir schlossen die Möglichkeit nicht aus. Dadurch fühlte ich mich so frei – endlich keine Angst vor einer ungewollten Schwangerschaft, endlich unbeschwert sexuelle Lust genießen können.
Die Regel kam unregelmäßig, wir verhüteten nicht und ließen der Natur ihren ungeplanten Lauf. Ich nehme an, dass diese Gelassenheit dazu beitrug, dass ich die Wechseljahre ohne größere Probleme, von denen mir Freundinnen berichteten, überstanden habe.
Krankheit Wechsel. An der Schwelle zwischen Fruchtbarkeit und Endlichkeit ging ich zu einer in feministischen Kreisen empfohlenen Gynäkologin. Sie riet mir zu einer Hormonbehandlung. „Aber warum?“, wollte ich wissen. Ich hatte weder überbordende Hitzewallungen noch depressive Schübe oder Schlafstörungen, auch war der Kinderwunsch kein wirklich drängender, sondern eine mögliche Erweiterung meiner Erfahrungen, ich fühlte mich wohl in meiner Haut. „Damit Sie länger jung bleiben“, meinte die Ärztin. Ich verließ fluchtartig die Ordination und war das erste Mal damit konfrontiert, dass Klimakterium anscheinend etwas mit Verfall und Krankheit zu tun hat, die behandelt gehört. Daran hat sich bis heute wenig geändert, auch wenn das Risiko von Hormongaben ebenso bekannt und belegt ist wie die weitgehende Wirkungslosigkeit von pflanzlichen Präparaten.
Zur „Krankheit“ avancierten die Wechseljahre ausgehend von den USA und später in Europa in den 1960er-Jahren. Aus der natürlichen Veränderung der Hormonproduktion wurde eine Mangelkrankheit gemacht, ein „klimakterisches Syndrom“, das behandlungsbedürftig sei. Zeitgleich wurde Anti-Aging zum Zauberwort in der Werbung und auf den Gesundheitsseiten der Zeitungen. Frauen wurden in Ton und Bild mit der Vergänglichkeit ihrer körperlichen Beschaffenheit konfrontiert, der kosmetisch, medizinisch oder esoterisch beizukommen sei. Der Wellnessmarkt boomte, Ziel der Werbung wurden Frauen ab 45. Das Wort „Anti“ bekam den peinlichen Beigeschmack, etwas gegen den biologischen Alterungsprozess unternehmen zu müssen – „Anti-Aging“ avancierte zum Lockruf, Jugendlichkeit durch Hautcremes, esoterische Wundermittelchen, Skalpell in eine neue Lebensphase „herüberzuretten“. Rettungsaktionen vermitteln eine Not: Alter, Verlust der Gebärfähigkeit, Depressionen, Hitzewallungen oder Hormonmangel müssen bekämpft werden. Der Wert der Weiblichkeit wurde an ihrer Fertilisation gemessen. Graue Haare? Falten? Bewegungseinschränkungen? Sichtbare Mängel des weiblichen Körpers, die medikalisiert oder kaschiert werden sollten.
Heute wird offener und differenzierter über diese Lebensphase gesprochen. Und trotzdem markiert die Menopause biologisch das Ende der Fortpflanzungsfähigkeit und eine Schwelle zum Alter, die Männer nicht in dieser Form erleben. „Männer werden reif, Frauen alt: eine oft gehörte Volksweisheit, die in ihrer Abschätzigkeit von diversen Experten auch noch geschürt wird“, konstatiert Elisabeth Tschachler und zitiert den amerikanischen Arzt und Sextherapeuten David Reuben, der behauptet: „Wenn kein Östrogen mehr produziert wird, wird die Frau sozusagen zum Mann. (…) Indem sie (die Frauen) ihre Eierstöcke überlebt haben, haben sie ihren Sinn als menschliche Wesen überlebt.“ (1)
Derart geballte Frauenverachtung ist der Stoff, aus dem ein Teil des weiblichen Leidensdrucks in der Menopause entsteht. In meinem Freundinnenkreis klagen viele Frauen über Hitzewallungen, schlaflose Nächte, plötzliche Panikattacken oder über die Kränkung, für das männliche Auge nicht mehr attraktiv zu sein.
Nicht nur Mutter sein. Als Julia Onken 1988 ihr Buch „Feuerzeichenfrau“ herausgab, hat sie den Tabubereich Klimakterium aus dem Schatten geholt (wenngleich mir damals viele ihrer Gedanken, wie etwa das Kapitel „Im Wurzelreich der Urmutter“, zu esoterisch erschienen). Aber dass Mutterschaft nicht das einzige Lebensziel einer Frau sein kann, hat sie auf erfrischende Weise einer Frauengeneration nahegebracht, die noch mit dem Mutterideal erzogen worden war. „Gut, man kann argumentieren, dass sich die Menschheit schließlich fortpflanzen muss. Das ist sicher richtig. Aber ich denke, oft wird das Mutterwerden hochstilisiert und glorifiziert“, sagt sie und hinterfragt die Selbstverständlichkeit, „mit der wir unsere gesamten Lebensziele auf dieses Amt hin ausrichten“. (2)
Mittlerweile gibt es im Gegensatz zu meiner Klimakteriums-Zeit vor dreißig Jahren viele Bücher über die Wechseljahre, die dem vermessenen Diktat, Jugendlichkeit mit Erfolg gleichzusetzen, etwas entgegenhalten. Dennoch wirkt die meiste Literatur, die ich gelesen habe, auf mich wie „Mut machen fürs Überleben“ in einer heiklen Lebensphase. „Voller Energie durch die Wechseljahre“ (3) von Sigrid Engelbrecht wartet mit vielen Tipps und Rezepturen auf, das Unvermeidliche gelassener zu nehmen. Doch woher Gelassenheit nehmen, wenn das individuelle Beziehungsgeflecht vielleicht brüchiger geworden ist und die weibliche Anziehungskraft keinen wahrnehmbaren „Marktwert“ mehr hat? Wenn die Kinder aus dem Haus sind, die oft der Anker waren für das Ausharren angesichts unzumutbarer familiärer Belastungen? Wenn die berufliche Erfolgsleiter ausgereizt ist oder Altersarmut und Krankheit winken? (Der Global Gender Gap Report des Weltwirtschaftsforums weist Österreich hinsichtlich Frauengleichstellung nur noch Platz 52 von 144 Ländern zu, nach Rang 37 im Vorjahr.)
Wartet nicht auf bessere Zeiten! Die Tabuisierung oder Behandlungsbedürftigkeit der Wechseljahre richtet den Blick auf die Verdrängung des Themas Tod. Der Endlichkeit unseres Lebens möchten wir uns nicht stellen. Wir wollen ewig sein, können es aber nicht. Das imaginierte Kind meiner Wechseljahre wäre heute dreißig Jahre alt. Ich empfinde diese unverwirklichte Möglichkeit nicht als Verlust. Nach dem Tod meines Mannes vor zehn Jahren haben sich mir neue Perspektiven eröffnet, die ich lustvoll und neugierig angenommen habe. Meine Freundinnen. Meine Mädchen. Mein politisches Tun. Und meine Liebe zu einer Frau, die ebenfalls endlich ist.
Bärbel Danneberg ist Autorin und Journalistin, in „Volksstimme“ und „Augustin“ schreibt sie zu feministischen und sozialpolitischen Themen mit dem Schwerpunkt Care-Arbeit.
(1) Elisabeth Tschachler: Wechseljahre. Verein für Konsumenteninformation 2010
(2) Julia Onken: Feuerzeichenfrau. Ein Bericht über Wechseljahre. Verlag H.C.Beck, letzte Auflage 2006
(3) Sigrid Engelbrecht: Heiße Jahre. Voller Energie durch die Wechseljahre. Gräfe und Unzer Verlag 2006
1 Kommentar zu „Menschlein wechsle dich“
Der größte “Anschlag” auf Frauen ist der psychiatrische, seit Jahrhunderten versucht die “Medizin” ihre “Übungen” und Irrtümer an den Insassen und spart ihre Verbrechen auch nicht an kindern.
Hier hat sich nichts geändert, die Pille für den Mann zur Verhütung endete mit den “Forscherinnen” in Medizin in einem Potenzsteigerungsmittel (Viagra)für Männer und daran werden wohl auch die islamisten in Medizin und “Forschung” nichts ändern. Solange die Psychiatrie und ihre vielfältigen chemischen Keulen nicht kriminalisiert und verboten werden.
Folter an Kindern und Menschen wird zur “Armutsbekämpfung” und Vernichtung(Erpressung) der Armen missbraucht; die dieser korrupten Erpressergemeinschaft verpflichteten Gewinner des “Systems” arbeiten dann noch als Immobilienentwickler(Appentwickler direkt aus den Gefängnissen.