„Ja, nein, vielleicht“ heißt der neue Roman von Doris Knecht. Die Protagonistin verhandelt darin mit sich selbst, ob sie eine neue Beziehung eingehen soll. Ein Gespräch über das publizistische Patriarchat und das Glück, mit Frauen zusammenzuarbeiten. Interview: JULIA PÜHRINGER
Mit „Gruber geht“ (2011) hat es begonnen: Journalistin und Kolumnistin Doris Knecht wurde zur Romanautorin. Es folgten u. a. „Wald“ (inzwischen verfilmt von Elisabeth Scharang), „Alles über Beziehungen“ und „Die Nachricht“. Mit ihren Kolumnen im „Falter“ und in den „Vorarlberger Nachrichten“ (und früher im „Kurier“) ist Knecht eine feministische Stimme, kämpferisch und lustig. In ihren Büchern spielen sie natürlich auch eine zentrale Rolle: Frauen und ihre Entscheidungen, Frauenkörper und was sie aushalten
an.schläge: Lohnt es sich für Frauen vom Energiehaushalt her, sich auf einen Mann einzulassen?
Doris Knecht: Meine Erzählerin ist in einer sehr privilegierten Lebenssituation, wo sie eigentlich keinen Mann mehr braucht. Also, meine Meinung: Wenn man es sich leisten kann, als Frau ohne Mann zu leben und es einem gefällt, dann braucht man sich auch keinen suchen. Aber natürlich sieht sich meine Protagonistin auch unter einem gesellschaftlichen Druck, die Gesellschaft feiert und priorisiert Paare. Und das Patriarchat sieht es natürlich nicht gerne, dass Frauen gut alleine zurechtkommen, weil sie dann für die Männer nicht mehr zur Verfügung stehen.
Das Buch trifft einen Nerv, Bücher wie „Entromantisiert euch!“ von Beatrice Frasl behandeln aktuell diese eigentlich alte feministische Forderung.
Das habe ich gerade zu lesen angefangen und finde es sehr spannend. Das ist ein Thema von uns Frauen dieser Generation, die von vornherein gesagt hat, wir wollen autonom bleiben und deswegen können wir jetzt auch autonom leben. In der Generation meiner Mutter gab es diese Möglichkeit vielfach gar nicht. Man hat unbezahlt Care-Arbeit geleistet und dafür keine Pension bekommen. Viele Frauen wollen da nicht mehr mitmachen, auch nicht einen kranken Partner pflegen, mit dem sie sich vielleicht längst auseinandergelebt haben. Aber das Patriarchat lässt diese Dienerinnen natürlich ungern ziehen. Ich kenne auch Frauen, die sich jetzt mit Mitte fünfzig noch scheiden lassen, und ja: Ich sehe, da holt sich eine Frau eine Freiheit, eine Unabhängigkeit, die sie vorher noch nicht hatte.
Wir kommen beide aus einer Zeit, wo man in unserem Beruf oft die einzige Frau am Tisch war, damit war man ja auch einer Rotte von wilden Weibern beraubt.
Das Problem war, dass man da in so eine Situation gedrängt wurde. Es war klar, eine Zweite würden die nicht am Tisch sitzen lassen und dann musste man seinen Platz halt verteidigen. Ich bin schon froh, dass das besser geworden ist, auch wenn ich sehe, dass es natürlich in vieler Hinsicht überhaupt nicht besser geworden ist.
Die schreckliche Erkenntnis, sobald man Kinder hat, dass doch nicht alles inzwischen ganz anders geworden ist.
Das ist auch in meinen Büchern ein großes Thema: Dieses Dilemma der alleinerziehenden Mutter. Mein letztes Buch („Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe“, Anm. d. Red.) handelt von einer, die auszieht, um dieses Kümmern zu verlernen, weil man das so intus hat, wenn man viele Jahre alleinerziehend war. Da muss man nach diesem schönen, aber halt auch aufreibenden Familiending, sich auch wieder selbst finden.
Im Roman gibt es einen Medienmann aus den Neunzigerjahren, der steht für diesen Typ Mann, den viele von uns miterlebt haben, der plötzlich nicht mehr mit uns befreundet ist, wenn wir uns feministisch äußern. Ich habe das immer als sehr schmerzvollen Prozess empfunden, als Verrat.
Ja, absolut. Das Problem ist, dass sie den Verrat nicht sehen. Das war auch ein bisschen die Idee, in dem Buch diesen Verrat aufzuzeigen und den paar Männern, die das lesen, auch mal zu erklären: Schau, ihr habt es damals so gemacht und ihr habt es damals richtig gefunden. Aber wir müssen jetzt sagen: Es war nicht richtig. Einige haben in der Zwischenzeit begriffen, dass vieles nicht mehr geht, was sie sich damals geleistet haben. Aber leider kapieren sehr viele nicht, warum es falsch war.
Ich nehme an, viele Frauen fühlen sich in deinen Büchern verstanden.
Ich bin sehr happy mit meinem Publikum aus überwiegend älteren Frauen, die sich von mir gesehen, wahrgenommen fühlen und auf eine gute Art abgebildet. Ich werde oft nach Lesungen angesprochen, bekomme Mails, das finde ich total schön. Es zeigt eben, dass man mit seinen Gefühlen und seinen Unsicherheiten und dem, was total nervt, nicht alleine ist.
Ich frage mich schon, wie der Kulturjournalismus ausgesehen hätte, wenn am Tisch zur Hälfte Frauen gesessen wären. Über welche Musik hätten wir geredet, welche Filme? Ich habe manchmal den Eindruck, wir haben Jahrzehnte verschissen mit der Kunst sudernder Männer, in den Büchern, den Alben, den Filmen.
Ich war kürzlich mit meinen Töchtern auf einem Konzert von My Ugly Clementine und es war so schön. Es war so selbstverständlich, dass dort lauter Frauen auf der Bühne waren vor der ausverkauften Open Air Arena. Ich freue mich so, dass meine Töchter das erleben dürfen, weil ich es kaum erleben konnte.
Gibt es Dinge, von denen du dir denkst, du hättest sie gern früher gewusst?
Oft hilft einem das Wissen allein ja nicht weiter. Ich hätte gern früher gehabt, dass sich Dinge ändern. Und ich hätte gern früher mit mehr Frauen zu tun gehabt in meiner Arbeit, mit mehr Chefinnen, mehr Abteilungsleiterinnen. Ich habe vor ein paar Jahren den Verlag gewechselt, unter anderem deswegen, weil ich unbedingt mit Frauen arbeiten wollte. Ich habe jetzt das Gefühl, dass diese Bücher nicht mehr von mir allein geschrieben und dann Männern zur Beurteilung vorgelegt werden, sondern wir machen das gemeinsam, meine Verlegerin und Lektorin, meine Agentin und ich. Ich bin jetzt eine glückliche Schriftstellerin. Letztlich sieht das auch meine Protagonistin so: Eine Freundschaft mit Frauen ist oft viel tragfähiger als Partnerschaften, viel stabiler, viel vertrauenswürdiger, viel sicherer, hält viel mehr aus.
Aufmerksamkeit von Männern ist für Frauen tatsächlich gar nicht so lohnend.
Es macht das Leben so viel einfacher, wenn das aufhört. Und ich merke das auch am Älterwerden. Das wird ja Frauen immer als schreckliches Schicksal verkauft: Du wirst unsichtbar! Ich bin ganz froh, dass ich unsichtbar werde. Wenn ich gesehen werden will, dann sieht man mich schon. Aber sonst fallen diese ganzen Beurteilungen und Abwertungen weg, die ewigen Kommentare zu deinem Körper, es ist sehr befreiend.
Du hast einmal erzählt, du hast begonnen, Romane zu schreiben, „weil ich es kann“. Das hat mich sehr beeindruckt.
Ich war ja davor eher so die Meisterin der kurzen Form. „Gruber geht“ war ein Versuch: Kann ich auch einen langen Text schreiben? Und habe ich dann auch die Nerven, dass das jemand mit seinem Urteil zerstört? Mir hat einmal ein fremder Typ in einem Lokal erklärt, wie er eine meiner Kolumnen viel besser geschrieben hätte. Ich habe ihn dann gefragt, was er denn so veröffentlicht hat. Er so: Ach, nichts bisher. Der fand das ganz normal. Es ist wichtig, dass Frauen sich trauen zu sagen: Ich mache das, weil ich es gelernt habe und weil ich es kann. Weil ich dieses Handwerk richtig gut beherrsche.