Satire nimmt in Demokratien eine wichtige, herrschaftskritische Rolle ein. Doch was passiert, wenn die politische Realsatire dem Kabarett den Rang abzulaufen droht? Von BRIGITTE THEIßL
In der österreichischen Frauenpolitik hilft manchmal nur noch eine ordentliche Portion Humor: Vor zwanzig Jahren feierten die Aktivistinnen des Unabhängigen Frauen Forums (UFF) mit dem Frauenvolksbegehren einen riesigen Erfolg: Rund 645.000 Menschen setzten im April 1997 ihre Unterschrift unter elf ziemlich vernünftige Forderungen. Bis heute wurde allerdings kein wesentlicher Arbeitsauftrag von den Regierungen der folgenden Jahrzehnte in Angriff genommen. Barbara Klein, Theaterintendantin und UFF-Aktivistin (siehe Interview Seite 24), dreht den Spieß also um und lädt anlässlich des 20-Jahre-Jubiläums gemeinsam mit Mitstreiterinnen zur utopischen Revue in ein Österreich, in dem alle Forderungen des Frauenvolksbegehrens längst erfüllt sind und in der Bundeshymne das „vielgelie-hiebte Ge-he-he-henderreich“ besungen wird. Because it’s 2017.
Trump Bump. Dass Satire auch eine Art Notwehr sein kann, beweisen aktuell US-amerikanische Comedians: Einem von Trump, Bannon und Co regierten Staat ist fast nur noch komödiantisch beizukommen. Seit der Immobilienkönig und stolze Krawattenträger das Präsidentenamt übernommen hat, florieren Satire-Formate wie „The Daily Show“, „The Late Show with Stephen Colbert“ oder „Full Frontal with Samantha Bee“. Stephen Colbert, der einst Korrespondent bei der Daily Show war und später in seinem eigenen Format „The Colbert Report“ rechte Mediengrößen wie Bill O’Reilly (1) und Sean Hannity persiflierte, übertrumpfte den eher unpolitischen Jimmy Fallon im Februar erstmals im Quoten-Rennen der Late Night Shows. „Trump Bump“ wird dieses Phänomen mittlerweile genannt: Wer Donald Trump besonders heftig attackiert, gewinnt häufig Abonnent*innen oder Zuschauer*innen dazu (auch im seriösen Nachrichtengeschäft, wie die „New York Times“ beweist). Zu neuen Höhenflügen gelangte auch die NBC-Comedy-Show „Saturday Night Live“ (SNL), die bereits seit 1975 neben allerlei Blödeleien das politische Geschehen im Land kommentiert. Alec Baldwin mimt in SNL mit schlechter Perücke und geschürzten Lippen den 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten – was diesen sogleich zu verzweifelt-beleidigenden Tweets inspirierte („Watched Saturday Night Live hit job on me. Time to retire the boring and unfunny show. Alec Baldwin portrayal stinks“). Die völlig überzeichnete Darstellung durch Baldwin zeigt, welche Schwierigkeiten es bereitet, Trump auf die Schippe zu nehmen: Wie gegen jemanden ankommen, der selbst Realsatire ist? „Wie entlarvt man jemanden, der sich mit jeder Geste selbst entlarvt? Jedes Mal, wenn wieder ein Komiker oder Politiker vor verzückter Menge aufzeigt, dass der Kaiser nackt sei, muss man nun denken: Wer hat es denn je bezweifelt?“, schreibt der US-amerikanische Autor Adrian Daub in der „Zeit“. Auch die grandiosen Parodien Colberts – beim White House Correspondents‘ Dinner 2006 glänzte er drei Meter entfernt von George W. Bush mit einer Rede über Fakten, die er statt aus Büchern seinen Eingeweiden entnommen hätte – bekommen in der Rückschau einen seltsamen Beigeschmack: Was Colbert konnte, kann Trump noch besser. Hat sich die Pointe damit erledigt? Dienen Satire-Formate nur noch dazu, einem von den realpolitischen Verhältnissen frustrierten Publikum zwanzig Minuten Erleichterung zu verschaffen und somit letztendlich das Unerträgliche erträglich zu machen?
Feministischer Gegenschlag. Dass selbst in der Ära Trump Satire noch eine subversive Kraft entfalten kann, bewies zuletzt Schauspielerin Melissa McCarthy. In Saturday Night Live parodierte sie den Pressesprecher des Weißen Hauses Sean Spicer derart treffend und brillant, dass selbst der dauer-twitternde Präsident verstummte. Wie die Tageszeitung „Politico“ berichtete, soll Trump sich besonders daran gestoßen haben, dass Spicer von einer Frau gespielt wurde – dieser würde nun „weak“ erscheinen, sogar über eine mögliche Entlassung Spicers wurde spekuliert. Trumps Erzfeindin Rosie O’Donnell befeuerte daraufhin sogleich Gerüchte, sie würde als Steve Bannon in SNL zu sehen sein – ihr Auftritt blieb letztendlich leider aus. An talentierten Komikerinnen mangelt es dem Format dennoch nicht: Kate McKinnon, seit 2012 Teil der SNL-Crew, tritt dort nicht nur als Hillary Clinton und „Alternative Facts“-Beraterin Kellyanne Conway auf, sondern mimt unter anderem auch US-Justizminister Jeff Sessions.
„Gute Satire schafft es humorvoll an den ernsten Kern zu führen, bei dem einem das Lachen im Hals stecken bleibt“, sagt Claudia Kottal im an.schläge-Interview. Sie war als eine der wenigen Frauen in der Kabarettreihe „Wir Staatskünstler“ im ORF zu sehen und parodierte dort unter anderem die ehemalige Bundesgeschäftsführerin der SPÖ Laura Rudas und die Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou. „Ich denke, Satire kann manchmal ihr Publikum direkter erreichen, weil die Kommunikation eine emotionale, unmittelbarere ist und nicht ausschließlich über den Intellekt funktioniert“, so Kottal.
Nachrichtenwert. Satire, die als Dichtkunst schon in der Antike dazu diente, sich mithilfe von Spott, Parodie und Ironie der Wahrheit anzunähern, ist aus Demokratien – wo sie sich weitgehend uneingeschränkt entfalten kann – nicht wegzudenken. Selbst als Informationsquelle gewinnt sie zunehmend an Bedeutung: Während die Quoten von Nachrichtensendungen und die Auflagen von Tageszeitungen sinken, bezieht in den USA laut Umfragen jede*r zehnte Unter-30-Jährige ihre*seine Informationen zum politischen Tagesgeschehen ausschließlich über Satiresendungen wie die Daily Show. Moderator Jon Stewart, der 2015 von Trevor Noah abgelöst wurde, entwickelte sich in den USA so zu einer satirischen wie moralischen Instanz, das Witze-Programm der Daily Show spickte der jüdische Stand-up Comedian mit investigativer Recherche und kritischen Polit-Interviews.
Auf die Spitze treibt diese Kunstform mittlerweile ein ehemaliger Kollege Stewarts: Auf dem Kabelsender HBO greift der britische Comedian John Oliver („Last Week Tonight with John Oliver“) wöchentlich Themen wie die öffentliche Gesundheitsversorgung, Korruption im Fußball oder die Geschäftspraktiken von Fernsehpredigern auf und liefert dabei eine Mischung aus einfach zugänglichem Investigativjournalismus und Kabarettprogramm ab.
Lächerliches Patriarchat. Auch im deutschsprachigen Raum eifern Satiriker*innen seit einigen Jahren den US-amerikanischen Vorbildern nach: So orientiert sich etwa das ZDF-Format „Heute Show“ an der Daily Show – bleibt aufgrund politischer Beliebigkeit aber leider weit hinter dem Original zurück. Auch der Moderator und Satiriker Jan Böhmermann greift regelmäßig durch gekonnte Inszenierungen („#Varoufake“) in das politische Tagesgeschehen ein und sorgte mit seinem „Schmähgedicht“ über den türkischen Präsidenten Erdoğan sogar für eine veritable diplomatische Krise. Dennoch: Ein wesentlicher Inhalt seiner satirischen Coups ist letztendlich immer die Marke Böhmermann selbst. Während die US-Kollegen Trevor Noah und John Oliver in ihren Sendungen regelmäßig mit feministischen Analysen aufwarten, liefern sich Böhmermann und Co lieber einen öffentlichen Schlagabtausch mit anderen Alphamännchen der Branche. Und diese bleiben nach wie vor unter sich: Frauen sind in der Satire deutlich unterrepräsentiert. Auch wenn Komikerinnen und Kabarettistinnen internationale Erfolge feiern: In der Politsatire sind es – wie in Österreich etwa Stermann und Grissemann sowie Thomas Maurer und Florian Scheuba – fast ausschließlich Männer, die souverän (und mitunter auch sexistisch) das politische Geschehen durch den Fleischwolf drehen. „Da haben wir, denke ich, noch einen weiten Weg vor uns, so banal das klingt“, kommentiert das Schauspielerin Claudia Kottal. Besonders schmerzlich erweist sich dieses Fehlen von Frauen – und insbesondere Feministinnen – angesichts der Tatsache, dass gerade feministische Satire eine unglaubliche Schlagkraft besitzt. Wenn die Burschenschaft Hysteria aufmarschiert, wird schnell klar, dass nichts so lächerlich ist wie das Patriarchat. Ein erstarkter Rechtspopulismus, der einen neuen Männlichkeitswahn mit Rassismus und Frauenverachtung verquickt, wird dann besonders machtvoll enttarnt, wenn die Abgewerteten ihn mit Mitteln der Übertreibung bloßstellen. Kaum etwas fürchtet Donald Trump wohl so sehr, als bei Saturday Night Live nicht mehr von Alec Baldwin, sondern von einer Frau parodiert zu werden.
(1) Wie die „New York Times“ vor Kurzem berichtete, soll O’Reilly und sein Arbeitgeber Fox News insgesamt 13 Millionen US-Dollar „Schweigegeld“ an fünf Frauen gezahlt haben, die dem Journalisten sexuelle Belästigung vorwerfen.