Die bloße Existenz meines fetten Körpers gilt vielen bereits als Provokation. Der Tabubruch schlechthin ist jedoch nicht mein Körper allein, sondern die Tatsache, dass ich mich weigere, mich für ihn zu schämen.
Dass eine dicke_fette Person sich zum Beispiel herausnimmt, schwimmen zu gehen, also den eigenen Körper den Augen anderer zumutet, anstatt ihn zu verstecken, ist schon echt frech. Das dann auch noch in einem Bikini zu tun und nicht in einem Gewand, das wenigstens die Wampe bedeckt, oder schlimmer noch – nackt baden zu gehen, ist wirklich die Höhe. Oder Freude daran zu haben, etwas anderes als ein Salatblatt zu essen, und das auch noch in aller Öffentlichkeit. Enge, bunte, kurze, gemusterte Kleidung zu tragen. Stolz sexy Selfies zu posten. Tanzen zu gehen.
Dass ich diese Dinge mit größter Selbstverständlichkeit tue, ruft bei anderen nicht nur regelmäßig Schnappatmung hervor, sondern immer wieder auch einen Hass, der so massiv ist, dass sie mir schon mal das Brötchen aus der Hand schlagen oder immer wieder auch den Tod wünschen.
Wer fett ist, hat sich dafür zu schämen, muss sich schuldig fühlen, muss sich ändern wollen, Schluss, aus, Ende! Wer das nicht tut, verstößt gegen die gesellschaftliche Hackordnung, in der Dicke als Sündenböcke gebraucht werden. Dicke_fette Personen, die sich der ihnen zugedachten Rolle als systembelastende Minderwertige verweigern, werden als echte Bedrohung wahrgenommen. Sich nicht dafür zu entschuldigen, wie man aussieht, sondern mit dem eigenen Körper okay zu sein – das rüttelt an den Grundfesten eines Glaubenssystems, das nach wie vor die Existenzberechtigung eines Menschen mit dessen vermeintlichen ökonomischen Wert für eine (ebenfalls vermeintliche) Gemeinschaft verknüpft. Da Dicksein mit Krankheit, Faulheit und Leistungsschwäche in Verbindung gebracht wird, darf es Dicke nicht geben. Zufriedene, gar schamlose Dicke schon gar nicht.
Prost Mahlzeit. So viel fressen, wie ich kotzen möchte, kann ich gar nicht.
Julischka Stengeles unbezahlte Vollzeitbeschäftigung ist es, unverfroren fett, queer und femme zu sein. Sie stärkt sich gern mit Kartoffelbrei, Lachs und Nusseis in der Butterwaffel.