Vor einiger Zeit besuchte ich ein Performance-Festival. Der Saal war, wie das meist so ist, eng bestuhlt. Während der geringe Abstand zu der Sitzreihe vor mir aufgrund meiner kurzen Beine eigentlich nie ein Problem darstellt, ist der Abstand zu den Sitznachbar_innen links und rechts dank ausladenden Hüftgolds quasi immer ein Problem. Insbesondere wenn die Stühle nicht nur eng gestellt sind, sondern auch noch unbeweglich an den Seiten miteinander verhakt. Und ich sage Problem, weil die Nachbar_innen, die mit meinem Hüftgold in Berührung kommen, sich in der Regel nicht über die Kontaktaufnahme unserer Körper freuen. Das Szenario läuft fast immer wie folgt ab: Es wird geschnaubt, geruckelt, gewackelt, gezuckelt, leidend gestöhnt, irritiert geguckt. Ob Flugzeug, U-Bahn, Bus, Theater – alle bestehen auf der strikten Einhaltung des Beinabstands. Meine #thunderthighs und ich versuchen das Unmögliche: pressen, quetschen, die Arme vor dem Körper kreuzen, mich schmal und klein machen. Das Ergebnis: Ich sitze völlig verkrampft und unbequem da und wir berühren uns immer noch.
Auf jenem Festival aber erlebte ich eine Überraschung. Ich setzte mich neben eine schlanke, hochgewachsene Person. Der Saal war dunkel, ich nestelte herum und gab mir redlich Mühe, weniger Platz zu brauchen, als ich brauchte. Plötzlich legte sie, ohne ihren Blick von dem Geschehen auf der Bühne abzuwenden, kurz ihre Hand auf meinen Oberschenkel und sagte „You’re good.“
Ich war platt! In dieser simplen Geste, in diesem kleinen Moment lag so ein tiefes Verständnis, so viel Solidarität. Es war gesehen werden, es war beruhigend und berührend. You’re good, ich bin gut, es ist gut, kein Problem. Wow! Ich konnte gar nicht fassen, was mir da gerade passierte und wie wohltuend das war.
Von Solidarität reden ist eine Sache – solidarisch handeln eine andere. Oft sind es nicht die großen, bühnenreifen Gesten, sondern die kleinen, leisen, die die Welt bedeuten.
Julischka Stengele ist sehr dankbar für dieses Erlebnis und findet es gleichzeitig bezeichnend, so dankbar für etwas zu sein, das selbstverständlich sein sollte.