auch feministinnen altern
Ich (ich?) soll also eine Senior_innenkolumne schreiben? Ich (wieso ich?)? Okay, Sex und Kinder sind schon besetzt, spannende neue Geschlechtsidentitäten habe ich derzeit auch nicht zu bieten. Es gibt aber doch so vieles, worüber frau schreiben kann, man kann über alles schreiben, schlussendlich. Über Computerinnen, über Kaffeesiederinnen oder vorkolumbianische Hunderassen, es gibt so vieles auf der Welt.
Beweise gibt es anscheinend genug, dass ich die Altersschamschwelle überschritten habe, es gibt Befindlichkeiten, bestimmt vorübergehende, es gibt Spiegel, sie sind sicher surrealistisch, es gibt Fotos, wirklich kranke Aufnahmen. Manchmal reden Leute über eine ältere Person, meinen sie mich damit? Sie müssen an verzerrter Wahrnehmung leiden.
„Das Alter ist plötzlich da“, diese Botschaft tauchte vor einigen Jährchen auf dem Bildschirm meiner Geldtankstelle auf, mit dieser Mahnung, grübel, stopfte ich mir den Zaster in die Tasche, vielleicht sollte ich ihn nicht verjuxen. Ihn anlegen, in etwas ein bisschen Dauerhaftes, Zahnplantagen z. B., vielleicht mich mal etwas näher mit dem rätselhaften Begriff Pension beschäftigen, schon Zwanzigjährige sind Profis diesbezüglich. Oder in die letzte Ruhestätte investieren? Immerhin etwas Bodenständiges, für all jene, die bisher nur in Luft- und Lustschlössern hausten. Komischerweise flattern ja seit einiger Zeit so tolle Angebote zwischen meine Facebook-Postings, nicht mehr nur läppische Arthrose-Optionen oder Bypass-Tipps, nein, Grabengel spuken anmutig zwischen den Palmen und Hündchen und Demo-Videos herum, auch sehr Angesagtes, der letzte Schrei, gern auch punkig, ab so viel Kies sind Sie dabei.
Während Altersgenoss_innen Euphorisches zu runden Geburtstagen posten („Sweet Sixty!“), und T- Shirts aufscheinen, die einer weismachen, dass das gerade angeschnittene Lebensjahr das allerallerbeste ist, das je erfunden wurde. Eh … Eine verlockende Alternative wurde bisher jedenfalls noch nicht erfunden.
Michèle Thoma war früher „heimspiel“-Kolumnistin, musste dies allerdings aufgrund von Protest ihrer Pubertierenden aufgeben.