aXelle de Sade arbeitet in Frankreich als Domina und kämpft für die Rechte von Sexarbeiter*innen. Die politische Lage spitzt sich zu, berichtet die Gewerkschafterin.
Der Kampf gegen die französischen Sexarbeitsgesetze ist nicht neu. Schon 1975 protestierte ein Kollektiv von Sexarbeiter*innen tagelang in der Kirche Saint Nizier in Lyon gegen polizeiliche Schikanen und soziale Stigmatisierung.
In Frankreich gibt es viele problematische Gesetze. Inspiriert durch das schwedische Modell entwickelt Frankreich ein legislatives Arsenal zur Abschaffung der Prostitution: Auch wenn Sexarbeit selbst heute nicht mehr illegal ist – alles mit ihr in Verbindung stehende ist illegal. Die Definition von Zuhälterei ist z. B. so weit gefasst, dass wir nicht in der Lage sind, eine Wohnung oder einen Arbeitsplatz zu mieten, uns zusammenzuschließen, um einen Arbeitsplatz zu mieten oder zu kaufen, einen Lebenspartner oder ein Familienmitglied zu haben oder ihm zu helfen. Unsere Steuern dürfen wir natürlich trotzdem zahlen.
Wir fordern deshalb eine Überarbeitung der Definition der „unterstützenden Vermittlung“. Eine Reform der Steuern auf Einnahmen durch Pornos und Webcam-Sexarbeit wäre ebenfalls wünschenswert, denn sie sind unverschämt hoch (etwa 65 Prozent des Einkommens).
Unsere Hauptforderung betrifft aber die Abschaffung eines Gesetzes von 2016, das die Bestrafung von Kund*innen vorsieht. Menschen, die unsere Dienste in Anspruch nehmen, werden strafrechtlich verfolgt und können verpflichtet werden, einen zweitägigen Kurs zu besuchen, in dem sie über die Gefahren der Sexarbeit aufgeklärt werden. Straßenprostitution ist sehr erschwert, wenn nicht sogar fast verunmöglich worden, was den Prekärsten unter uns schadet. Aufgrund dieses Gesetzes werden unsere Einkünfte als Geldwäsche betrachtet und Banken und Versicherungen weigern sich, uns als Kund*innen anzunehmen.
Es ist sehr schwierig, uns in Frankreich Gehör zu verschaffen. Zum einen, weil die Verbände, die sich für die Abschaffung der Prostitution einsetzen, von der französischen Regierung stark unterstützt werden: Sie erhalten Subventionen in Höhe von mehreren Millionen, Verbände wie STRASS, die Gewerkschaft der Sexarbeiterinnen, die 2009 gegründet wurde, haben hingegen größte Schwierigkeiten, Geld aufzutreiben. Tatsächlich werden die Gesetze sogar weiter verschärft und wirken sich immer stärker auf die prekärsten Sexarbeiter*innen aus.
Diese Gesetze erlauben es uns nicht mehr, unter menschenwürdigen Bedingungen zu arbeiten. Wir müssen unsere Einkommensquellen verschleiern, indem wir vorgeben, andere Jobs auszuüben, und uns vor unserer Nachbarschaft, unseren Freund*innen, unserer Familie und unseren Kindern verstecken. Aber noch schlimmer ist, dass es immer mehr Angriffe und Todesfälle gibt. Die Kund*innen werden weniger, und wir nehmen deshalb Leute an, die wir früher abgelehnt hätten.
Seitdem haben sich mehrere Organisationen gebildet, darunter der rote Dachverband, der alle regionalen selbstverwalteten Gruppen (ACCEPTESS-T, Bus des femmes, Roses d’acier), die für die Anerkennung von Sexarbeit kämpfen, zusammenfasst. Seit 2015 bin ich Mitglied von STRASS. Wir sind sehr aktiv, um unseren Forderungen Gehör zu verschaffen, und setzen dabei auf verschiedene Strategien: Wir machen Lobbyarbeit bei politischen und administrativen Institutionen, organisieren Demonstrationen und Treffen zwischen Sexarbeiter*innen und leisten unterschiedliche Formen der Unterstützung für Kolleg*innen. Außerdem haben wir eine Partnerschaft mit einer Gesundheitsinitiative, um den Zugang zu medizinischer Versorgung für Sexarbeiter*innen zu erleichtern.
Vor allem aber bemühen wir uns, die Wahrnehmung von Sexarbeit zu verändern, durch Kulturproduktionen oder die Kooperation mit Künstler*innen. Das von uns initiierte Festival Sex Workers Narratives Arts and Politics (SNAP) ist ein gutes Beispiel für diese Arbeit. Wir melden uns auch regelmäßig in den Medien zu Wort, um so vielen Menschen wie möglich unsere Realität nahezubringen.
Immer mehr Stimmen melden sich zu Wort, um ihre Geschichten zu erzählen, Solidaritätsinitiativen versuchen, die gesellschaftlichen Ausfälle zu kompensieren, und das ist eine sehr gute Sache. Dennoch wird die französische Politik immer konservativer und autoritärer. •