Vor 60 Jahren warb Österreich sogenannte Gastarbeiter*innen aus der Türkei an, überwiegend waren es Männer. Anna Painer hat mit Zeynep Arslan gesprochen, die eine Ringveranstaltung an der Uni Wien zum Thema organisiert hat.
Was lässt sich aus einer Genderperspektive zum Anwerbeabkommen sagen?
Rückblickend lässt sich sagen, dass die migrantisch-weibliche* Arbeitskraft viel zu wenig Beachtung gefunden hat. Viele Frauen haben ihre neugeborenen Kinder zurückgelassen und sind ihren Männern gefolgt. Deutschkurse gab es keine und viele Frauen waren finanziell abhängig von ihren Männern. Anlaufstellen bei Gewalt fehlten – für alle in Österreich lebenden Frauen. Frauen erleben im Bildungssystem und am Arbeitsmarkt Benachteiligung. Frauen mit geringen Deutschkenntnissen werden häufig in eine Schattenwirtschaft gedrängt. Insgesamt ist die Lage heute deutlich komplexer, weil es mittlerweile sehr unterschiedliche Bildungsniveaus und Migrationsursachen gibt. Auf jeden Fall sind wir weit davon entfernt, dass diese Migrationsgeschichte als ein selbstverständlicher Teil der österreichischen Geschichte akzeptiert wird.
Wie hat das Anwerbeabkommen die türkeistämmige Community in Österreich geprägt?
Die Menschen haben mit ihrer Arbeitskraft einen enormen Beitrag für den wirtschaftlichen Aufschwung geleistet. Insbesondere Bevölkerungsgruppen, die zu den Minderheiten in der Türkei gehören, haben in Österreich eine liberal-demokratische Bildung genossen, die ihnen Diskriminierungen aufgrund ihrer Minderheitenposition ersparte. Umso mehr sind gerade sie besorgt, wenn die österreichische Politik in ihren außenpolitischen Beziehungen mit der Türkei wenig sensibel agiert. Während die ersten Generationen nach der Pensionierung wieder in ihre Herkunftsorte zurückkehren, wollen sie, dass ihre Nachfahr*innen als gleichwertiger Teil der österreichischen Gesellschaft wahrgenommen werden und sie in Sicherheit wissen. Gerade der hohe Anteil an Pflichtschulabsolvent*innen in der türkeistämmigen Community macht deutlich, wie stark Bildung in Österreich strukturell vererbt wird.
Hat Österreich mit Blick auf Arbeitsmigration aus Fehlern gelernt? Was braucht es für die Zukunft?
Die Diskussionen, die in den 1970ern geführt wurden, sind immer noch aktuell. Österreich war immer schon ein Einwanderungsland – aber das wird so nicht akzeptiert. Die Frage, wie lange Personen(-gruppen) als „die Migrant*innen“ gelesen werden können, stellt sich bis heute, doch für die statistische Darstellung der Ungleichheitsverhältnisse braucht es Daten. Und es braucht in jedem Fall Räume für kritisch-reflektierte Diskussionen. Am Ende des Tages geht es um ein Zusammenleben in Würde, um Chancengerechtigkeit und Gleichbehandlung.