Eine an.schläge-Anekdote aus der an.schläge-REDAKTION
Dass Bildredaktion zwar „total interessant“, aber absolut kein Spaß ist, wusste ich nach der ersten an.schläge-Produktion als Praktikantin. Habt ihr euch auch schon oft darüber geärgert, dass in Zeitungen die Bildauswahl so einfallslos ist? Und wie seltsam manche Meldungen in an.schläge bebildert sind? Die Mainstream-Medien haben eine Bilddatenbank und Zeitdruck, wir haben Flickr, Creative Commons, Sehnenscheidenentzündung vom Weiterklicken und Heulkrämpfe (weil auch Zeitdruck).
Zu schlecht aufgelöst, das ist ein Agenturfoto – keine Chance auf die Rechte, zu fad, schon wieder ein trauriges Demo-Transpi, nicht schon wieder, das sauft beim Schwarz-Weiß-Druck ab, das sieht unprofessionell aus, wie oft habe ich all das in fast zehn Jahren gehört und selbst zu entnervten Praktikantinnen gesagt! Zahlen können wir übrigens auch fast nix.
Und wie beglückend ist es noch heute, wenn man ein wunderschönes Coverfoto ergattert. Zachary Hunt ist eigentlich Hochzeitsfotograf in Austin/Texas und ich würde ihn wegen des coolen Porträts von der Bikerin mit Tina-Turner-Shirt sofort für meine Hochzeit einfliegen lassen. Er hat unser Cover „Feminismus & Fahrradliebe“ (2012) sogar heute noch auf seiner Website!
Grace Kim, eine Überlebende aus der Fotoserie „Live Through This“ von Dese’Rae Stage, die den „Suizid“-Schwerpunkt (2014) bebilderte, schrieb mir nach Monaten ein Mail auf meine Anfrage und berichtete von ihrem* tollen Suizid-Präventionsprojekt, das LGBTQIA-Teenager unterstützt.
Mama und Tochter mit den roten Rollkragenpullis, den dicken Brillen und den Minipli-Dauerwellen für den Schwerpunkt „Mama“ (2016) entdeckten wir auf AwkwardFamilyPhotos.com und ich schickte es den Kolleginnen zuerst nur zum Scherz. Es dauerte einige Zeit, bis ich die Adresse der Tochter herausfand, sie müsste ihre Eltern fragen – der Vater hatte das Foto gemacht und manche Reaktionen wären nicht besonders nett. Ich konnte die Familie schließlich von unserem Magazin überzeugen und wir bekamen das Bild. Eine Leserin kritisierte, wir würden uns damit über Kurzsichtige lustig machen. Ich schwöre auf meine fünf Dioptrien, wir fanden die beiden einfach nur super!
Fiona Sara Schmidt, kam 2009 als Praktikantin und war von 2014 bis 2017 leitende Redakteurin.