Wie finden von häuslicher Gewalt betroffene Frauen eigentlich ins Frauenhaus? Und bekommen dort auch trans Frauen und non-binäre Personen Platz? Brigitte Theißl hat bei Elisabeth Cinatl, Psychotherapeutin und Vorstandsvorsitzende des Netzwerks österreichischer Frauen- und Mädchenberatungsstellen, nachgefragt.
Wie sieht die Infrastruktur an Frauenhäusern in Österreich aus? Wo fehlt es konkret an Mitteln und Einrichtungen?
Es gibt Bedarf an zusätzlichen Frauenhausplätzen – dabei muss man regional genau hinschauen. Bei uns in Niederösterreich ist zum Beispiel das Waldviertel ein absolut unterversorgtes Gebiet. Dort ist es für Frauen nicht möglich, einfach nach St. Pölten zu fahren, dafür ist die Anbindung zu schlecht. Ein großes Problem sind aktuell auch Übergangswohnungen. Angesichts der Lage auf dem Wohnungsmarkt ist es enorm schwierig, günstige Mietwohnungen zu finden. Nach einem Aufenthalt im Frauenhaus wäre es für eine Stabilisierung wichtig, zumindest vorübergehend eine Wohnung zu haben – und das ohne den Druck, 800 oder 900 Euro im Monat für die Miete aufbringen zu müssen.
Wie finden Betroffene von häuslicher Gewalt den Weg ins Frauenhaus, wenn sie vielleicht noch gar nie von diesem Angebot gehört haben?
Auf ganz unterschiedlichen Wegen. Für Frauenhäuser ist Vernetzung enorm wichtig, um das Angebot bekannt zu machen. Behörden und Ämter müssen informiert sein, denn viele Frauen docken etwa beim Sozialamt oder dem AMS an. Auch Ärzt*innen, Gynäkolog*innen, Apotheker*innen sind wichtige Multiplikator*innen. Nicht zuletzt braucht es mediale Berichterstattung.
Wo liegen die Grenzen beim Schutz, den ein Frauenhaus bieten kann, gerade wenn Betroffene vor potenziell gefährlichen Tätern geflüchtet sind?
Das ist ein wichtiger Punkt. Frauenhäuser bieten Schutz, aber eine hundertprozentige Sicherheit kann es nicht geben. Die Bewohnerinnen des Frauenhauses sind schließlich nicht eingeschlossen, sie leben ihr Leben weiter, gehen zur Arbeit, bringen Kinder in die Schule oder den Kindergarten. Das sind meist Wege, die auch die gewalttätigen (Ex-)Partner kennen. Einen gewissen Schutz bietet die Anonymität der Frauenhaus-Adresse, doch auch diese kann nicht völlig geheim gehalten werden. In den Häusern selbst treffen wir natürlich Sicherheitsvorkehrungen. Darüber hinaus führen wir Gefährlichkeitseinschätzungen mit den Frauen durch, um ein Gefühl für den Gewalttäter zu bekommen. Das ist ein wichtiges Tool. In Wiener Neustadt liegt das Frauenhaus abseits stark frequentierter Wege. Wenn eine Frau in einer Hochrisikosituation ist, bedeutet dies auch, dass auch wir als Mitarbeiterinnen noch wachsamer sein und Maßnahmen ergreifen müssen. Dies bedeutet dann, dass jede Mitarbeiterin, die bei Dunkelheit aus dem Dienst geht, mit einer Kollegin telefoniert, bis sie im Auto oder weiter vom Frauenhaus entfernt ist. So kann im Notfall rasch die Polizei verständigt werden. Trotz all dieser Maßnahmen besteht immer ein Restrisiko.
Wie sieht der Umgang mit trans Personen aus? Finden sie ohne Hürden Platz in Frauenhäusern?
In den Dachverbänden gibt es zu diesem Thema durchaus Diskussionen, ich kann nur für unser Haus sprechen. Es ist enorm wichtig, dass transidente und non-binäre Personen einen Zufluchtsort haben, wenn sie von häuslicher Gewalt betroffen sind. Zugleich sind viele trans Personen auch von anderen Diskriminierungs- und Gewaltformen betroffen. Dementsprechend braucht es aus meiner Sicht auch spezielle Expertise in den Häusern, um die Betroffenen angemessen betreuen zu können. Ich finde es ehrlicher zu sagen: Wir nehmen trans Personen nicht auf, weil wir zu wenig Expertise haben. Und die Person wird dann weitervermittelt. Ich arbeite auch als Psychotherapeutin mit trans Personen in unterschiedlichen Phasen der Transition. Wie eine Person gelesen wird, speziell trans Frauen, führt zu bestimmten Reaktionen, auch das gilt es zu bedenken. Ich bin jetzt wenig konkret, weil es wichtig ist, auf jeden Fall individuell einzugehen.
Kann es also auch passieren, dass trans Frauen keinen Frauenhausplatz finden?
Hier kann ich für unser Haus sprechen – und ich denke auch für andere: Wenn eine betroffene Frau vor der Tür steht, dann wird sie aufgenommen. Frau heißt in diesem Fall: Eine Frau, die sich als solche definiert.
Wo beginnt aus Ihrer Sicht Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt?
Der beginnt mit Geschlechterstereotypen, die es aufzuweichen gilt. Bei finanzieller Selbstbestimmung, gleichem Lohn für gleiche Arbeit. Das alles gehört dazu. Und es beginnt beim Alltagssexismus, den jede Frau erlebt. Da sind wir noch lange nicht dort, wo wir hinwollen. •