leben mit kindern
Jetzt gleitet die Nadel wieder sanft in der Rille meiner alten „Yentl“-LP. Sie und der Plattenspieler meiner DJ-Freund*in hatten zuvor schon einiges mitgemacht; meine Tochter („T.“ zehn Jahre) legt zum ersten Mal eine Platte auf, sie stellt jetzt von 33 auf 45 Umdrehungen. Barbra, can you forgive me?
Beim Umzug fand ich meinen Jugendschatz – Barbra Streisands „Yentl“-Songs, zeitgleich installierte meine Freund*in ihren alten Technics 1210 und T. erwähnte nun öfters mal im Park, mal in der U-Bahn, dass einer dieser Männer* ihr Vater* sein könnte.
Wie 1986 hocke ich nun wieder überm LP-Cover, den Liedtext diesmal nicht mir selbst, sondern meiner Tochter übersetzend, die mir immerhin bis zur neunten Zeile aufmerksam zuhört.
Zeit für ihre Performance: T.s Stimme legt sich erst vorsichtig, dann kräftiger über Yentls Vatersuche: Papa, are you near me? T.s Mimik ist durch ihr Studium von Eisprinzess*innen und Bibi & Tina bereits professionalisiert. Theatralik, Pathos – Kanäle für reale Sehnsüchte, für schwer Auszusprechendes und auch Wut.
Ich, das Publikum, im Gefühlstaumel: Auf „Yentl“ warf ich damals unreflektiert meine lesbischen Projektionen und Trans-Fantasien, jetzt werfe ich mir vor, während des dringenden Kinderwunsches meiner Ex die Spermasuche nicht im Freund*innenkreis forciert zu haben. Gleichzeitig bin ich genervt von Predigten über die Bedeutung der Vater*rolle.
Scratch! T. greift zum Pitchregler, Barbras Stimme ist plötzlich auf Helium und kurz darauf versinkt sie im trägen Bass. Ein neuer Sound, ein bisschen unrund zwar, dafür neben der Spur.
„Yentl“ ist ein Musikfilm (1983) mit Barbra Streisand: Als Frauen in Europa das Studieren noch verboten war, beginnt Yentl nach dem Tod ihres Vaters und Rabbis, der ihr die Tora gelehrt hatte, als „Anshel“ mit Tallit und Kippa ein Studium an der Jeschiwa in Bechev.
Theo Hoffnungsthal hat ihre Tochter adoptiert. Sie findet es auch doof, dass die deutsche Samenbank T. erst mit 18 den Vater*/Spender-Kontakt aushändigt.