leben mit kindern
Mein nun zweijähriges Kind darf keine Erdnüsse essen, ist aber keineswegs allergisch dagegen. Es handelt sich um eine reine Sicherheitsmaßnahme (Aspirationsgefahr, sagt ihr Vater). Sie darf bei mir alleine ein Stockwerk Steinfliesen-Stufen rauf- und runterklettern. Fahrradfahren als Beifahrerin: ja! Mit Schere alleine im Raum sein: nein! Auf eine kleine Stehleiter klettern, um alleine Hände
zu waschen: ja! Zehn Sekunden alleine in der Badewanne sitzen, ohne dass jemand im gleichen Raum ist: nein! Bis 15.30 Uhr in der Krabbelstube bleiben: einmal im halben Jahr – es könnte sonst das (MEIN) Seelenheil leiden, würde das Kind nicht bis 14.30 Uhr abgeholt. Der Vater des Kindes antwortet im Urlaub auf die Frage, ob er weiß, wo die Tochter gerade hingegangen ist: „Sie ist vor drei Minuten mit zwei etwa gleichaltrigen Kindern in das Spielhaus da drüben geklettert, dort wird Postaustragen gespielt! Und, ja: Ich bin stolz darauf, ein Helikopter-Papa zu sein!“ Im Park beobachte ich eine Familie: Das Jüngste kann noch nicht gehen, wird aber zwanzig Minuten sich selbst überlassen (isst Schotter, schaut den anderen beim Spielen zu, krabbelt auf die andere Seite des Weges, lacht, ist guter Dinge), während die Mutter das etwas ältere Kind voller Hingabe auf der Schaukel anschubst. Seit neuestem schalte ich nachts das Babyfon neben mir aus, das Kind schläft Wand an Wand, die Türen sind off en, alle überleben ohne 24-Stunden-Kontrolle. Ich will ein bisschen mehr sein wie meine coole französische Freundin und wie jene Elterngeneration, die mich mit meinen älteren Brüdern nachmittagelang – ja wo eigentlich? – herumziehen ließ. Ja, da wurden eventuell Lianen geraucht, auf Fabriksgelände Hasenfallen gebaut und im Bach gespielt, in dem die Bauern diverse Abwässer loswurden. Doch ich kann schon froh sein, wenn mein Kind das Sofa anmalt, beim Kuchenbacken den halben – noch Ei-freien – Teig aufisst oder einen Schluck Cola erwischt. Es ist nicht leicht, heutzutage eine wilde Mutter zu sein.
Kristina Strauß-Botka hat als Politikwissenschaftlerin und Pädagogin mehr Sorge vor einem zu strengen Reglement in der Kinderbetreuung ihrer Tochter als vor einem Terroranschlag.