leben mit kindern
Letzten Sommer im Museumsquartier. Kinder spielen in einer Staublacke. Neben mir plötzlich der Sager: „Wozu braucht’s denn überhaupt Pädagoginnen? Die Kinder spielen eh so super miteinander. Wir haben uns auch immer alles untereinander ausgemacht.“
Liebe Stimme des „gesunden Menschenverstandes“: Ja, eh. Aber wer von euch hat sich bei Konflikten durchgesetzt und gewonnen? Wer von euch ist um die Legokiste gesessen, um dann später mit den selbst gebauten Flugobjekten durch den Gruppenraum zu flitzen? Und welche von euch haben stattdessen in stundenlanger, ruhiger Fitzelarbeit Bügelperlen gelegt und sich kaum von der Stelle gerührt?
Genau da muss pädagogische Intervention einsetzen. Denn Kinder, egal welchen Geschlechts, ahmen das nach, was die Gesellschaft ihnen vormacht, und finden ganz schnell heraus, was von ihnen erwartet wird. Und ist es nicht so, dass immer noch Mädchen auf ihr Äußeres angesprochen werden und schnell lernen, sich darüber zu definieren? „Ah, heute hast du aber ein schönes Kleid an. So hübsche Farben.“ Und dass immer noch Buben auf ihr Können hin befragt und ihre Tränen als „Krokodilstränen“ entwertet werden, wenn sie sich weh tun oder traurig sind? Anders ist das in einem Kindergarten, in dem die PädagogInnen ein geschlechtssensibles Bewusstsein haben. In dem immer wieder darüber reflektiert wird, wie sie wo und warum pädagogisch intervenieren können, um eingespielten, geschlechtstypischen Verhaltensweisen den Raum zu nehmen. Um ihn dahin zu erweitern, dass Neues passieren kann.Dort ist es möglich, dass sich Sevak, 4, um den weinenden Klaus kümmert und ihn zu trösten versucht: Das täte ihm leid, sie könnten ja die zerknuddelte Zeichnung noch einmal gemeinsam machen. Oder dass Miriam, 3, die schon seit drei Tagen an einer Legostadt baut, jeden Morgen schnurstracks darauf los läuft, dabei nur nebenbei das „Guten Morgen“ rufend – gefolgt von „… ich hab keine Zeit, ich möchte da weiterbauen!“ –, und nur ab und zu die Pädagogin um Rat fragt. An den „gesunden Menschenverstand“: Klar machen sich Kinder vieles untereinander aus – es ist nur immer die Frage, unter welchen Voraussetzungen. Denn Geschlecht wird gelernt, und das schon vor dem Kindergarten. Aber eben auch genau dort.

Barbara Tinhofer ist Kindergartenpädagogin auf Arbeitssuche und der Meinung, dass gendersensibles Arbeiten in die Lehrpläne für Elementarpädagogik aufgenommen werden muss.