leben mit kindern
Mein Verständnis für das entwicklungspsychologisch notwendige Verhalten von Zweijährigen widerspricht in diesen Tagen regelmäßig meinen eigenen Bedürfnissen. Ich sinniere über ein Bullshit-Bingo für „Wie Eltern ein Paar bleiben“-Ratgeber und entwickle Allergien gegen Weisheiten à la „Geht es den Eltern gut, geht es den Kindern gut“ und „Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen“ ( ja, eh). Ich finde mich verzweifelt um zwei Uhr morgens (selbst) eingesperrt im Badezimmer wieder, damit ich meinem tobenden Kind nichts antue. Als ich um halb sechs beschließe, dass nun die Nacht wohl als abgeschlossen angesehen werden kann, und in die Dusche steige, brüllt meine Tochter mich an: „Mama, du sollst SCHLAFEN GEHEN!“, rennt in mein Schlafzimmer und hat kurz darauf das Rollo auf dem Kopf, das sie in ihrer Wut herunterzerren will. Ich frage mich, was mit Kindern, deren Eltern weder „Hier wird gewaltfrei erzogen“-Pickerl am Kalender kleben haben noch superengagierte Großeltern oder geduldgesegnete Onkel anrufen können, deren Eltern keine gute Kaffeemaschine und keinen interessanten Job haben, in solchen Situationen passiert.
Schon länger hege ich den Verdacht, dass Mütter, die sich für extremfeministisch halten, weil sie möglichst früh nach dem Mutterschutz wieder arbeiten gehen, ordentlich verarscht wurden. Vielleicht möchte der oft zitierte französische Staat gar nicht superfrauenfreundlich-liberal die Karrieren der Mütter, sondern vielmehr die Bedürfnisse der Unternehmen befriedigen? Denn: Wie geht Leben – geschweige denn Arbeit –, wenn beispielsweise wochenlang (monatelang! jahrelang!) kein erholsamer Schlaf zu finden ist? Wenn, wie mir eine Co-Mama unter Tränen schildert, Alltagsroutinen wegen Erschöpfung nicht mehr zu bewältigen sind? Familienorientierte Politik müsste neben super Kinderbetreuung auch heißen: mehr Urlaubsanspruch für Menschen mit Erziehungsverantwortung, Eltern-Kind-Kuren auf Krankenschein, staatlich subventionierte Energietankstellen. Heute Früh hat eine Stoffeule mich geweckt – sie wurde gefährlich nahe an mein Gesicht gedrückt – begleitet von: „Schuhu! Guten Morgen, Mamiii! Schuhu!“ Solange diese Eule mich weckt, werde ich nicht die Weltherrschaft übernehmen.
Kristina Strauß-Botka ist Politikwissenschaftlerin und Pädagogin.
