Jasper Nicolaisen
Dieser Tage endet meine Karriere als Erzieher. „Karriere“ ist natürlich nett gesagt; wer diesen unglaublich stressigen Job in Vollzeit durchzieht, verdient sehr deutlich unter zweitausend Euro, Aufstiegsmöglichkeiten gibt es kaum. Auch prestigeträchtig, wie es die akademische Karriere oder die Kunst verspricht, war dieser Job nie. Erzieherinnen gelten vielfach noch immer als „Tanten“, die auf Kinder „aufpassen“, Windeln wechseln, Fläschchen geben und ansonsten rauchend am Sandkasten hocken. Dabei strotzen die frühkindlichen Bildungspläne heute von Startschussrhetorik in Hinsicht auf lebenslanges Lernen, gesellschaftliche Integration, Teilhabe und Wortgeklingel Marke „Resilienz“, „Selbststeuerung“ und „Flexibilität“. Erzieher*innen werden zu Chimären aus Familienhelfer*innen, Kinderpsycholog*innen, Ergotherapeut*innen und Crafting-Youtuber*innen ausgebildet, verdienen aber eben viel weniger und kriegen auch viel weniger Likes. Selbst für das Gendersternchen reicht es oft nicht, denn ca. 95 Prozent aller Erzieher*innen (in Deutschland) sind heute noch Frauen, sodass Männer echt mal einfach mitgemeint sein können. Vorbei ist diese Karriere für mich, weil sie sich nicht mit der Familie vereinbaren lässt. Ich habe mit meinem Mann zwei Kinder, eins davon mit hohem Förderbedarf. Das allein ist Grund genug, dass nicht zwei Eltern arbeiten gehen können, schon gar nicht in einem Job mit Schichtsystem und hohem Krankenstand, bei dem sofort Menschen unbetreut dastehen, wenn ich mich krankmelde. Anders als viele Kolleg*innen falle ich weich, schließlich habe ich noch andere, freiberufliche Möglichkeiten. Trotzdem, Abhängigkeit vom Partner, Einschnitte bei der Rente und ein Riesenbatzen Care-Arbeit, das betrifft auch mich. Keine besondere Geschichte und eigentlich kaum eine Kolumne wert. Und doch wiederholt sich diese Geschichte immer noch und immer wieder und meistens sind die tragischen Heldinnen Frauen. Manchmal heißt kämpfen, die scheinbar banalen Dinge immer und immer wieder erzählen, bis sie sich ändern.
Jasper Nicolaisen ist bei Erscheinen dieser Ausgabe nicht mehr Erzieher, sondern Hausmann, Künstler und Menschenberater, aber zum Glück reich verheiratet.