Bubenmusik und unsichtbare Frauen. Ein Rant von JULIA PREINERSTORFER
In den letzten Monaten überschlugen sich die Zeitungen und Magazine vor Begeisterung: Österreich hat sein neues Austropop-Wunder! Eines hörte man allerdings nur in den seltensten Fällen: die Namen von Musikerinnen. Austropop ist in den heimischen und anderen deutschsprachigen Medien ein rein männliches Phänomen, derzeit durchexerziert an den Bands Bilderbuch und Wanda – beide männlich besetzt. Und sie machen es einem auch nicht leichter, vor allem Wanda, die immer wieder durch gar nicht so hart am Sexismus vorbeischrammende Äußerungen und Inszenierung auffallen. Bekanntlich wirkte Ronja von Rönne – „mich ekelt Feminismus an“ – in einem ihrer Videos mit. Klar ist das Kalkül, macht es aber auch nicht sympathischer.
Schulterklopfen. Auch beim einzigen größeren Musikpreis des Landes, dem Amadeus, bleibt oft nur Kopfschütteln. Nicht, dass dieser Preis irgendjemanden ernsthaft interessieren würde außer die Wiener „Szene“, die sich jährlich dort einfindet, um sich gegenseitig zu versichern, wie geil alle sind. Aber er zeigt ein gröberes strukturelles Problem auf.
Denn natürlich hat 2015 keine einzige Solokünstlerin oder weiblich dominierte Formation einen Preis gewonnen. Man kennt die Argumente schon im Vorhinein: „Hat halt keine Frau was Gescheites rausgebracht dieses Jahr.“ Zur Verteidigung: In der Kategorie Künstlerin des Jahres waren schon Frauen nominiert. Gewonnen hat übrigens Conchita Wurst. Selbiges Problem gibt es bei der Programmierung heimischer Festivals. Beim Booking von weiblichen DJs in Wiener Clubs dasselbe: Man muss sie immer noch mit der Lupe suchen.
„Muschihouse“. Der Musikjournalismus tut ein Übriges dazu, Frauen unsichtbar zu machen. Mit schöner Regelmäßigkeit erscheinen Texte, die schlichtweg dämlich sexistisch sind. Da gibt es etwa die Beschreibung einer jungen Frauenband, in der Äußerlichkeiten und technische Unzulänglichkeiten überbetont werden. Und was bei Männern vermutlich als DIY oder Schrammel-Charme gelobt würde, bedeutet bei „Mädchen“, dass sie schlichtweg nicht ordentlich Gitarre spielen können und von Technik halt nicht so viel Ahnung haben. Oder aber ein plattes und fades populäres elektronisches Genre wird tatsächlich zu „Muschihouse“ abgestempelt.
Speckige Lederjacken. Auch das beliebte Gegensatzpaar Mädchen- und Bubenmusik stellt einem die Haare auf. Mädchenmusik ist selten positiv konnotiert. Sie meint immer das Poppige, das Seichte und Dümmliche. So ziemlich genau das Gegenteil ist gemeint, wenn man von Bubenmusik spricht. Sie ist die „harte“ Musik mit Gitarren und Lederjacken, mit Rock’n’Roll und allen Klischees, die einem dazu einfallen. Musik für Biertrinker. Oder Musik für Nerds, die selbstverständlich immer männlich sind. Weil Frauen interessieren sich ja höchstens dann für Musik, wenn sie einen Mann beeindrucken wollen.
Es gibt allerdings auch den umgekehrten Fall, dass Journalistinnen von (männlichen) Musikern herablassend behandelt werden. Dass ihre Erfahrung und ihre Expertise infrage gestellt werden. Sie sich Fragen gefallen lassen müssen, die männlichen Kollegen einfach nie gestellt werden würden. Sie öffentlich bloßgestellt werden.
Überflüssig zu erwähnen, dass es auch in Österreich tolle Musikerinnen gibt, wie zum Beispiel das Duo Fijuka, das gerade ein neues Album veröffentlicht hat. Und auch fantastische Musikjournalistinnen, ob Nachwuchstalente oder schon etablierte Autorinnen. Wie Katharina Seidler zum Beispiel, die hauptsächlich für FM4 und Falter arbeitet und super Geschichten macht. Ich kann mich nicht erinnern, einmal den Begriff Mädchen- oder Bubenmusik aus ihrem Mund gehört zu haben.
Julia Preinerstorfer regt sich gerne auf. Auf Twitter kann man sie unter @superwichtig finden.