Die Politikwissenschaftlerin LEONIE TANCZER sprach mit BRIGITTE THEIßL über die politische Kraft von Hacking.
an.schläge: Der typische Hacker ist ein weißer junger Mann, der im schwarzen Kapuzenpulli nächtelang vor dem Computer sitzt – stimmt das so?
Leonie Tanczer: Ist die typische Feministin eine weiße junge Frau mit kurzen Haaren, die Männer hasst? Nein, natürlich nicht! Ich glaube, es ist wichtig, sich vor Augen zu führen, dass viele Stereotype – meist von Personen außerhalb der Szene – gezielt verwendet werden, um Klassifizierungen von Gruppen zu erleichtern. Natürlich gibt es das Klischee des „typischen Hackers“, doch deshalb alle über einen Kamm zu scheren wäre kurzsichtig und blendet jene aus, die diesem nicht entsprechen.
Warum sprechen Sie von „HacktivistInnen“?
Das Wort Hacking haben ja sicher schon viele gehört. Wobei ich klarstellen möchte, dass Hacking nicht nur kriminelle Aktivitäten umfasst. In meiner Forschung verstehe ich unter diesem Begriff etwa auch Tätigkeiten wie Manipulation von Technologie für unorthodoxe Zwecke sowie die Produktion von freier, nicht kommerzieller Software. Hacktivismus bezieht sich auf die Verwendung von Hacking für aktivistische Anliegen. Es ist eine Technik, die HackerInnen und/oder AktivistInnen verwenden können, um soziale oder politische Ziele zu erreichen.
Ich kann meine Waschmaschine aus persönlichen Gründen hacken, weil ich ihre Leistung steigern möchte. Ich kann sie aber auch hacken, um eine politische Botschaft an den Hersteller zu senden. Damit kann ich auf kreative Art zum Beispiel auf schlechte Arbeitsbedingungen hinweisen. Natürlich sind diese beiden Kategorien häufig schwer trennbar und Intentionen können verschwimmen. Ich finde es aber wichtig, dass man dieses gesellschaftliche Element von Hacking stärker hervorhebt und anerkennt, dass sich viele als politisch agierende AkteurInnen – eben als HacktivistInnen – verstehen.
Netzpolitik wird mit der fortschreitenden Digitalisierung eine immer zentralere politische Aufgabe. Was sind die Folgen, wenn Frauen sich daran kaum beteiligen?
Es gibt unzählige Studien, die zeigen, wie gerade Frauen* online von Sexismus und Mobbing betroffen sind oder dass der Zugang zum Internet zwischen den Geschlechtern global ungleich verteilt ist. Es ist deshalb davon auszugehen, dass das Fehlen von Frauen* bei netzpolitischen Kämpfen eine unzureichende Wahrnehmung dieser Probleme zur Folge hat. Es sind die gleichen Dynamiken zu erwarten, wie wir sie in anderen männlich dominierten Politikfeldern sehen. Die Konsequenzen von Entscheidungen auf Frauen* werden schlichtweg nicht mitgedacht.
Wie kann man Hacktivistinnen sichtbar machen und können Sie Frauen*-Hackerspaces nennen, an denen frau sich beteiligen kann?
Zum einen hoffe ich, dass ich mit meiner Studie „Hacktivism and the Male-Only Stereotype“ auf das Klischee und im Speziellen auf die Existenz von Frauen* in der Szene hinweise. Ich verstehe sie als ein Gegengewicht zu Diskursen, die ein stereotypes Bild von HacktivistInnen reproduzieren.
Die breite Öffentlichkeit setzt sich auch immer mehr mit Hacktivistinnen und Frauen* im Tech-Bereich auseinander. Das reicht von Reportagen, die nicht nur Männern Sende- und Redezeit geben, bis hin zu Artikeln, die die Rolle von Frauen* in der Geschichte der IT-Branche aufarbeiten. Ein tolles Beispiel ist das feministische Hack-Magazin „The Recompiler“.
Andere Bemühungen reichen von der Erhöhung weiblicher Sprecherinnen auf Konferenzen bis zu frauen*zentrierten Räume wie dem Netzfeministischen Bier in Wien oder women*-only Hackerspaces wie dem Mz Baltazar’s Laboratory in Wien, Mothership Hackermoms in Berkeley oder dem Double Union in San Francisco. Meine persönliche Empfehlung ist deshalb: Einfach mal beim lokalen Hackerspace vorbeischauen!
Leonie Tanczer ist Doktorandin an der Queen’s University Belfast (UK). Sie arbeitet an einem interdisziplinären PhD-Projekt, das sich Internetsicherheit, Hacking und Hacktivismus widmet. Sie twittert unter @leotanczt.