Die FILMLÖWIN empfiehlt:
OLFAS TÖCHTER
Vier Töchter brachte die alleinerziehende Olfa Hamrouni zur Welt, zwei davon verschwanden im Alter von 15 und 16 Jahren spurlos: ein Fall, der in den tunesischen Nachrichten im Jahr 2016 großes Aufsehen erregte. Olfa und die beiden jüngeren Töchter Eya und Tayssir kämpfen damit, diesen Verlust zu verarbeiten. In Kaouther Ben Hanias Mischung aus Dokumentation und Spielfilm spielen sie Szenen aus der gemeinsamen Vergangenheit mit zwei Schauspielerinnen (als verschwundene Töchter) und einem Schauspieler (als Vater bzw. danach Geliebter der Mutter) nach. Mit lachenden und weinenden Augen berichten und reinszenieren die „echten“ Darstellerinnen die gewaltvollen, aber auch lustigen und schönen Momente, die sie gemeinsam erlebt haben. Auch die Einordnung der Familiendynamik vor dem Hintergrund
von patriarchalen Strukturen, der tunesischen Revolution und dem Aufkommen von Radikalismus begleiten die Geschichte.
Wenn Personen vor der Kamera ihr eigenes Leben nachstellen, welche Art von Film sehen wir dann? Wo beginnen und enden Fiktion und „Spiel“? Metaebenen sorgen für eine noch komplexere Vielschichtigkeit des Films. Ben Hania findet einen Weg, von Gewalt und Manipulation zu erzählen, ohne diese Darstellung für den Spannungsaufbau der Story zu funktionalisieren oder voyeuristisch zu werden.
BIANCA JASMINA RAUCH
Kinostart: 23.2.2024