Die Spitzenkandidatin der Grünen ULRIKE LUNACEK im Gespräch mit GABI HORAK und VERENA FABRIS über Frauenpolitik – nicht nur im Nationalratswahlkampf.
an.schläge: Was zeichnet für Sie gute Frauenpolitik aus?
Ulrike Lunacek: Zum einen, dass sie von feministischen Frauen gemacht wird. Dann, dass es in den Parteien Männer gibt, die Frauen auch dabei unterstützen. Und dass sie geleitet ist von einem Bild der ökonomischen Unabhängigkeit von Frauen. Schließlich, dass es konkrete Vorschläge mit Zeithorizonten gibt, bis wann das so sein soll, und dass auch Geld dafür eingesetzt wird.
Sehen Sie aktuell davon etwas in der österreichischen Innenpolitik verwirklicht?
Viel zu wenig. Die Tatsache, dass die Gehaltsschere immer noch so weit auseinanderklafft, ist – auch im europäischen Vergleich – einfach beschämend. Ich würde mir manchmal den Kampfgeist von Johanna Dohnal wünschen. In der jetzigen Regierung sehe ich viel zu wenig Bereitschaft. Vor allem mit so wenigen Frauen in der Regierung. Denn es sind immer noch die Frauen, die Frauenpolitik vorantreiben.
Welchen Stellenwert hat Frauenpolitik für Sie in Europa?
Da ist im Europäischen Parlament in Zusammenarbeit mit der Kommission einiges gelungen: Zum Beispiel die Gleichbehandlungsstrategie, die tatsächlich in vielen Mitgliedsländern etwas weitergebracht hat. Oder Quoten in Aufsichtsräten. Das ist schon längst Richtlinie, aber wenn der Europäische Rat, also die Mitgliedsländer, nicht wollen, bekommen wir es nicht durch. Als ich 2009 ins Europaparlament kam, haben wir die Mutterschutzrichtlinie geändert: Zwanzig Wochen in allen Mitgliedsländern und gleichzeitig – was mir ganz wichtig war – für die Väter gleich nach der Geburt parallel zwei Wochen bezahlten Urlaub. Das hätte auch für gleichgeschlechtliche Paare gegolten. Aber auch das ging im Rat nicht durch. Wenn es nur nach dem Europäischen Parlament ginge, hätten wir das alles schon längst umgesetzt.
Österreich geht auch nicht mit bei diesen Dingen?
Nicht in der Form, in der ich es gerne hätte. Man müsste im Rat auf den Tisch hauen oder sich mit den befreundeten Regierungen zusammentun. Das wäre etwas für die nächste EU-Präsidentschaft, dass man hier ein paar Schritte weitergeht.
Sie bezeichnen sich als Feministin. Nun ist Feminismus teilweise ein Label geworden, es gibt große Modeketten, die mit „I am a Feminist“-Aufschriften auf T-Shirts viel Geld machen. Birgt das Mainstreaming des Begriffes auch die Gefahr, den Inhalt zu verwässern?
In der Politik sind Symbole wichtig, die Sprache – und es sind die Handlungen wichtig. Ich finde es gut, wenn sich Frauen als Feministinnen bezeichnen. Es geht um zentrale Frauenrechte: die Tatsache, dass in allen Bereichen der Gesellschaft immer noch viel weniger Frauen in Entscheidungspositionen sind, dass Männer immer noch viel zu wenig Arbeit im Haushalt erledigen. Vor kurzem habe ich auf Facebook ein Video entdeckt, in dem ein Mann einem Freund auf die Frage, ob er im Haushalt mithelfe, sagt: „Ich helfe meiner Frau nicht.“ Und er erklärt dann, er „hilft“ nicht, sondern auch er wohnt in dem Haus und deshalb putzt er das Klo. Er „hilft“ seiner Frau nicht beim Windeln Wechseln, weil es auch seine Kinder sind. Diese Haltung wäre für alle Männer ganz wichtig. Und Frauen müssen das natürlich auch wollen.
Sie sehen in dem Mainstreaming des Begriffes Feminismus also mehr Chancen als Gefahren?
Würde ich schon sagen. Bei all den Widerständen, die es immer noch gegen Feminismus gibt, ist es mir lieber, der Begriff wird manchmal missbraucht. Mir ist lieber, wir diskutieren darüber, als es traut sich niemand, das Wort in den Mund zu nehmen.
Mainstreaming ist ja auch in der LGBTIQ-Bewegung ein Thema: Sei es bei der Regenbogenparade, deren Trucks vermehrt aus kommerziellen Unternehmen bestehen oder bei der Forderung nach der Ehe mit allen Rechten und Pflichten. Wo sehen Sie bei der Gleichstellung von LGBTIQ-Personen noch Handlungsbedarf?
Es gibt seit Jahren einen Vorschlag für eine EU-Richtlinie, die einen wirksamen Diskriminierungsschutz beim Zugang zu Waren und Dienstleistungen von Lesben und Schwulen fordert. Da geht es zum Beispiel darum, dass die beiden Frauen, die sich vor zwei Jahren im Cafe Prückel geküsst haben und deswegen dann des Lokales verwiesen wurden, vor dieser Diskriminierung geschützt werden. Österreichweit gibt es so ein Gesetz, anders als in Deutschland, nach wie vor nicht, da wäre es wichtig, diese Lücke endlich zu schließen. Leider blockiert auch hier seit 2009 der Rat der EU. Ich bin die Berichterstatterin, das heißt im EU-Parlament verantwortlich für diese Richtlinie. Leider schaut es nicht so aus, als ob ich dieses Gesetz noch zum Abschluss bringen kann, das ist schon auch frustrierend. Bei Trans- und Inter-Personen schaut es ein bisschen besser aus, diese sind laut Ansicht des EuGH schon durch eine andere Richtlinie geschützt, aber auch hier wäre eine Klarstellung des Gesetzestextes wünschenswert. Anfang 2014 hat das EU-Parlament außerdem einen Bericht abgestimmt, den sogenannten „Lunacek-Bericht“, eine Roadmap „zur Bekämpfung von Homophobie und Diskriminierung aus Gründen der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität“, das war ein sehr weitgehender, fortschrittlicher Bericht. Teile davon hat die Kommission jetzt in einen Aktionsplan gepackt, das freut mich. Von echter Gleichstellung sind wir noch immer weit entfernt, aber es wird besser, das merke ich schon auch, ich verfolge das Thema in der Politik ja schon mehr als zwanzig Jahre!
Braucht es ein eigenständiges Frauenministerium?
Auf jeden Fall. Mit eigenem Budget und zwar einem guten Budget. Jetzt sind es zehn Millionen – das ist ein Witz. Aber ich will auch nicht, dass dann nur die Frauenministerin für feministische Angelegenheiten zuständig ist. Sie müssen in jedem Ministerium ein wichtiger Aspekt sein, und das muss auch kontrolliert werden. Gender Budgeting ist in Österreich eigentlich auch schon vorgeschrieben – aber wenn es niemand überprüft, dann passiert es auch nicht.
Was halten Sie von der Idee, ein Gleichstellungsministerium zu haben, das sich um unterschiedliche Diversitäten und Diskriminierungen kümmert?
Ich habe keine puristische Position dazu. Wenn das im Ministerium gut gehandhabt wird, kann ich es mir vorstellen. Es muss nur klar sein, dass dann am Ende nicht alles vermischt wird und die hauptsächliche Diskriminierung, die über fünfzig Prozent der Bevölkerung betrifft, nicht untergeht.
Könnten Sie sich vorstellen, Frauenministerin zu sein?
Ich kann mir viel vorstellen. Jetzt mach ich einmal Wahlkampf: Mein Ziel ist es, dass wir Mehrheiten haben, bei denen die FPÖ nicht in die Regierung kommt. Alles andere schauen wir uns nachher an.
Wird Frauenpolitik im Wahlkampf eine Rolle spielen?
Ich werde es thematisieren. Aber allgemein kommt Frauenpolitik bestimmt viel zu wenig vor. Gewaltschutz, gleiche Bezahlung, Quotenregelung – das alles wären wichtige Themen.
Sie haben in Innsbruck am Aufbau des Frauenhauses Ende der 1970er-Jahre mitgewirkt, wie beurteilen Sie die Entwicklung des Gewaltschutzes seither?
Im Vergleich zu anderen EU-Ländern ist in Österreich sehr viel geschehen. Die Interventionsstellen, das Wegweiserecht – da haben sich andere viel abgeschaut. Das heißt nicht, dass alles super funktioniert: Die Frauenhäuser kämpfen immer noch mit der Finanzierung. Und Gewalt gegen Frauen wird immer noch nicht in dem Ausmaß öffentlich geächtet, wie es notwendig wäre. Aber bei der gesetzlichen Lage ist Österreich schon eines der fortschrittlichsten Länder, die ich kenne.
Oft ist unter Feministinnen zu hören: Es geht zu wenig weiter auf dem Gebiet der Geschlechtergerechtigkeit, wir haben sogar einen Backlash. Können Sie drei Punkte nennen, die sich seit den 1970er-Jahren wirklich signifikant verbessert haben?
Gewaltschutz. [Langes Überlegen] Auch ohne Quoten Präsenz von Frauen in höheren Entscheidungspositionen. Kinderbetreuung so halb: Es gibt schon mehr Kinderbetreuungsplätze – aber das ist einfach immer noch viel zu wenig. Es ist besser geworden, aber es ist noch lange nicht gut.
Der Backlash hängt ja auch mit der neoliberalen Individualisierung zusammen: Du bist selbst dafür verantwortlich, dass du nicht in die Armut rutschst und bist selbst für die Gestaltung deiner Beziehung zuständig. Da geht ein Stück solidarische Gesellschaft verloren …
… und das Bewusstsein, dass es eine staatliche Aufgabe ist, für die Institutionen zu sorgen und dass dafür Steuergeld einzusetzen ist. Das ist auch mein Problem mit dem bedingungslosen Grundeinkommen: Das kann Gefahr laufen, dass du dann selber dafür zuständig bist, dass du den Kinderbetreuungsplatz finanzierst oder die Versicherung. Ich finde schon, das ist eine staatliche Aufgabe, bei der NGOs aktuell viel übernehmen. Da bin ich eine vehemente Verfechterin der Verantwortung des Staates.
Ein wichtiges Thema der Frauenpolitik ist der Kampf gegen Armut. Es gibt da eine hohe Betroffenheit von Alleinerzieherinnen, Pensionistinnen, Mehrkindfamilien. Welche konkreten Maßnahmen bräuchte es? Und ist es überhaupt möglich, für mehr Gerechtigkeit zu sorgen, ohne das ganze (Steuer-)System in Richtung Umverteilung komplett umzubauen?
Jein. Was schon ginge, wäre eine lebensnahe Sozialpolitik. Beispielsweise Mietzinsobergrenzen. Und: ein Mindestlohn, von dem du leben kannst, also 1.750 Euro brutto. Das ist für einen Vollzeitjob ein Minimum. Wenn dann die Frage kommt: Wie finanzieren? Ich bin schon lange für eine Erbschafts- und Schenkungssteuer, die den Namen verdient. Mit einer Freigrenze bis zu 500.000 Euro und danach gestaffelt mehr. Die Friseurin, die Kassierin im Supermarkt oder die Kleinunternehmerin, alle müssen Steuern zahlen. Erben ist arbeitsloses Einkommen. Es geht um einen gerechten Beitrag, der in etwa dem gleichkommt, was du auch zahlst, wenn du erwerbstätig bist.
Wäre da nicht ein Schulterschluss mit der ÖVP möglich, denn die sagen: Nur wer etwas leistet, soll etwas bekomme. Wer erbt, leistet ja eigentlich nichts?
Ja, das ist ein Argument, das ich auch hin und wieder verwende.
Sie sprechen sich für eine Arbeitszeitverkürzung auf dreißig Stunden aus. Gehen die Grünen damit in den Wahlkampf?
Als Zukunftsvision, ja. Der erste Schritt wäre, Überstunden zu reduzieren bzw. mehr für Überstunden zahlen zu müssen. Wir müssen darauf achten – auch als Grüne –, wie das Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit aussieht. Es schafft psychische und körperliche Belastungen, dass es einen ständigen Stress gibt, man permanent erreichbar sein muss – auch im Urlaub. Wenn wir auch die Burnout-Raten reduzieren wollen, dann wäre der Anfang, Überstunden zu reduzieren bzw. sie besser zu bezahlen.
Allerdings wissen wir aus Studien, dass die körperliche und psychische Belastung, die der Stress von Armut und Arbeitslosigkeit auslöst, ungleich gravierendere Folgeerscheinungen hat als die Arbeitsüberforderung der MangerInnen. Das so genannte Burnout ist vor allem auch eine Krankheit von Armutsbetroffenen.
Ja. Darum müssen wir auch die Arbeitskosten entlasten. Wir haben schon vor zwanzig Jahren ein ökologisch-soziales Steuermodell gefordert, das Arbeitskosten entlastet und gleichzeitig aufkommensneutral Energie belastet. Dann könnten auch mehr Arbeitsplätze geschaffen werden, wenn die anfallende Arbeit anders verteilt wäre, indem z.B. Überstunden reduziert werden. Arbeitsplätze schaffen ist notwendig im Bereich erneuerbare Energien, Energieeffizienz – und in der Pflege, im Sozialbereich. Dort müssen gut bezahlte Arbeitsplätze geschaffen werden.
Viele der Forderungen des neuen Frauenvolksbegehrens sind langjährige Forderungen der Frauenbewegungen. Wenn die Grünen in Koalitionsverhandlungen gehen, wäre dann die Umsetzung dieser Forderungen eine Bedingung?
Ich unterstütze das Frauenvolksbegehren, weil es viele Forderungen beinhaltet, die immer noch nicht umgesetzt sind. Aber ich formuliere keine Bedingungen, denn dann müsste ich alles, was ich will, als Bedingung formulieren und es braucht ja auch einen Verhandlungsspielraum. Aber klar ist es wichtig, dass diese Forderungen auch in einem Koalitionsabkommen enthalten sind als Forderungen, auch mit Vorschlägen der Umsetzung.
Was wäre ein No-Go in Bezug auf Frauenpolitik, bei dem die Grünen nicht mitgehen könnten?
Wenn es zum Beispiel kein Ministerium gäbe, das für Frauenangelegenheiten zuständig ist, wenn es keine feministischen Forderungen und kein Budget geben sollte – das geht auf keinen Fall.
Es muss kein eigenständiges Frauenministerium sein?
Nein, Frauenangelegenheiten können auch in einem anderen Ministerium angesiedelt sein. Mir sind dann die Forderungen wichtiger als die Form. Es muss auch von jemandem besetzt sein, der das gut nach außen hin vertreten kann. Und es muss in einer Regierung auch einen Konsens darüber geben, dass diese Forderungen umzusetzen sind und es nicht nur lästiges Anhängsel ist.
Muss eine Frau Frauenministerin sein oder könnte das auch ein Mann?
Es sollte schon eine Frau sein.
Angenommen, es kommt zu einer Koalition mit ausschließlich rechten und konservativen Parteien, was befürchten Sie dann für die Frauenpolitik in Österreich?
Ein Männerministerium oder ein neoliberales Wirtschaftsministerium, ein Anti-EU-Ministerium – da fällt mir einiges ein. Was Frauen betrifft, wäre das sicher ein ziemlicher Abstieg im Vergleich zur jetzigen Situation.
Wäre etwa die Fristenlösung in Gefahr oder die Umsetzung der Frauenquoten?
Dass die Quoten nicht kommen, das glaube ich sofort. Was die Fristenlösung betrifft, habe ich nicht den Eindruck, dass die zur Debatte steht. Das würde einen Aufstand provozieren. Vielleicht bin ich zu optimistisch, aber das glaube ich nicht. Jedenfalls würde es unter so einer Koalition keine Fortschritte geben.
Die Finanzierung von Fraueneinrichtungen sehen Sie nicht als Gefahr?
Kürzungen wird es hier geben. Da bin ich mir ziemlich sicher.
Was wäre Ihre Botschaft an die Grünen, sollten sie in der Opposition bleiben?
Gute Oppositionsarbeit, das können wir: aufzeigen, aufdecken, Forderungen stellen, mit Aktionen auch Dinge thematisieren, die falsch laufen. Durchaus auch – und das werde ich auch mitbringen aus dem Europa-Parlament – Beispiele aus anderen Ländern bringen: Was geht besser, da gibt es auch rechte Regierungen, die durchaus wichtige Maßnahmen setzen. Zum Beispiel in den skandinavischen Ländern sind die konservativen Parteien viel fortschrittlicher als viele andere.
* Dieser erste Teil des Interviews wurde im Juli 2017 geführt, die folgenden aktuellen Fragen sind im Spätsommer 2017 hinzugekommen. *
Nachdem der langjährige Grüne Abgeordnete PETER PILZ auf dem Bundeskongress bei der Wahl um Listenplatz vier scheiterte, gründete er Ende Juli die „Liste Peter Pilz“ – mit der er nun bei der Nationalratswahl gegen seine ehemalige Partei antritt. Für die Grünen gestaltete sich der Start in den Wahlkampf entsprechend holprig, an.schläge-Redakteurinnen haben ULRIKE LUNACEK dazu Ende August noch einmal befragt.
an.schläge: Ingrid Felipe und Sie haben die Partei von Eva Glawischnig zu einem schwierigen Zeitpunkt übernommen: Der Ausschluss der Jungen Grünen sorgte innerhalb und außerhalb der Partei für Unmut, Unzufriedenheit mit der inhaltlichen Ausrichtung wurde formuliert, der Konflikt mit Peter Pilz zeichnete sich schon länger ab: Wo sind hier in der Grünen Partei die größten Fehler passiert?
Ulrike Lunacek: Wir Grüne stehen zu unserem Grundwert der innerparteilichen Demokratie. Positionen, die die Grünen vertreten, werden in demokratischen Prozessen innerhalb der Partei geklärt. Das bedeutet auch, dass sich bereits lange aktive PolitikerInnen einer Wiederwahl stellen müssen und niemand den Anspruch hat, ein Mandat auf ewig auszuüben.
Bei den Grünen sucht sich kein/e Parteichef/in die KandidatInnen für den Nationalrat freihändig aus. Bei uns wählen Delegierte auf allen Ebenen die Landeslisten und schließlich der Bundeskongress mit mehr als 280 Delegierten die Bundesliste. Das ist ein urgrünes demokratisches Prinzip. Jede und jeder stellt sich diesen Wahlgängen. Durchgriffsrechte von der Parteispitze gibt es nicht. Ein Generationswechsel ist ein normaler Prozess in der Politik und in den Parteien. Das kann für die einzelnen Personen verständlicherweise enttäuschend sein. Es wurden dafür aber einige interessante Persönlichkeiten neu aufgestellt: Etwa der renommierte Asylrechtsexperte und Anwalt Georg Bürstmayr oder die Anti-TTIP/Ceta-Ikone und Biobäuerin Irmi Salzer und viele mehr.
Ohne Austausch keine Öffnung. Die Grünen gibt es zwar schon 31 Jahre. Wir punkten aber besonders stark bei jungen WählerInnen und setzen auf Zukunftsthemen, die vor allem junge Menschen ansprechen sollen – soziale Sicherheit, Wohnkosten, Mobilität, Erneuerbare Energie für Umwelt und innovative Jobs. Und für eine Weiterentwicklung unserer Heimat Europa. Besonders die Jugend identifiziert sich stark mit Europa und den „grenzenlosen” Möglichkeiten, die die EU ihnen im Studium und später im Berufsleben bietet.
Das Thema Jugend bringt mich zu Ihrer Frage um die „Jungen Grünen”: Klar ist, eine Jugendorganisation soll eigenständig arbeiten und darf auch kritisch sein. Das war auch nie das Problem. Ein Problem ist entstanden, weil der Vorstand der „Jungen Grünen“ bei den ÖH-Wahlen eine Gruppierung unterstützt hat, die gegen die Grünen (StudentInnen) kandidiert hat. Das geht natürlich nicht. Einige dieser alten Jugendgruppe haben sich nun entschlossen, sich in der KPÖ einzureihen. Viele der jungen AktivistInnen österreichweit wollen aber bei der Grünen Bewegung bleiben, vernetzen sich und sind gerade dabei, eine eigenständige neue Jugendorganisation aufzubauen.
In den Umfragen sind die Grünen zuletzt abgestürzt und liegen etwa gleichauf mit der neu gegründeten Liste Pilz. Woran liegt das und auf welche Themen werden Sie setzen, um potenzielle Grün-WählerInnen doch noch von sich zu überzeugen?
Was Umfragen betrifft haben uns viele Wahlgänge der jüngsten Zeit deutlich gezeigt, wie viel bzw. wie wenig diese Wert sind. Die Grünen und ich sind erprobte und starke WahlkämpferInnen und wir peilen auch dieses Mal wieder ein zweistelliges Ergebnis an. Die Aufholjagd hat begonnen.
Aufgrund meiner langjährigen Tätigkeit im Nationalrat, aber auch als Vizepräsidentin des Europaparlaments kann ich auf große innen- und außenpolitische Erfahrung zurückgreifen. Außerdem stehe ich wie keiner der anderen Kandidaten für die Gleichstellung von Frauen und bin auch eine über Parteigrenzen anerkannte Expertin in den Bereichen Außenpolitik und Europa. Während Kern, Kurz und Strache ihre persönlichen Befindlichkeiten und Starallüren pflegen, zeigen wir bei den Grünen, wie es in Österreich auch gehen kann. Bei uns steht das „Wir” einer Bewegung im Vordergrund, die für die BürgerInnen da ist. Die Botschaft lautet: Miteinander, „Wir statt Ich”, Vernunft, Lösungsorientierung und Haltung statt inhaltsleerem Star Kult.
Ihr neues Plakat „Sei ein Mann: Wähl eine Frau“ wird auch von Feministinnen kritisiert. Was war die Idee dahinter?
Die erste Plakatwelle stellt mich aussagekräftig in drei Sujets in den Mittelpunkt. Dabei geht es uns um ein gelungenes Miteinander. Um eine Gleichstellungspolitik, die diesen Namen auch verdient. Um ein soziales, ökologisches und demokratisches Europa, das in Österreich beginnt. Und um den Mut, einer kompetenten Politikerin, die sich seit Jahrzehnten glaubhaft für die Gleichstellung einsetzt, auch als Mann am Wahltag die Stimme zu geben.
Dieses Thema wird mit dem von Ihnen angesprochenen Sujet gleichzeitig pointiert wie augenzwinkernd dargestellt: Gleichberechtigung ist kein Frauenthema, Gleichberechtigung ist ein Menschenthema. Männer sind Väter, Söhne, Brüder, Partner, Freunde von Frauen. Grüne Politik steht für eine Gleichstellungspolitik ohne Wenn und Aber. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, eine verbindliche Frauenquote, ein europaweites Gesetz gegen Gewalt gegen Frauen, genauso wie Elternkarenz für Mütter und Väter. Erst wenn wir tatsächliche Gleichberechtigung hergestellt haben, gibt es auch echte Chancengleichheit für alle Menschen in unserer Gesellschaft. Für all das stehe ich wie wenige sonst in Österreich.