Mädelschaften haben zwar weniger Einfluss als ihre männlichen Kollegen, dürfen aber nicht unterschätzt werden. Von JUDITH GOETZ
Im deutschsprachigen Raum sind Studentenverbindungen an beinahe allen Hochschulen vertreten, aktuell gibt es rund 900 Studentenverbindungen mit etwa 150.000 Mitgliedern. Seitdem Frauen an den Universitäten zugelassen wurden, ist das Privileg, sich in elitären Zusammenschlüssen zu organisieren, jedoch nicht mehr ausschließlich Männern vorbehalten. Auch in Österreich existieren aktuell etwa dreißig Studentinnenverbindungen.
Klare Geschlechtertrennung. Ebenso wie in den Reihen von Studentenverbindungen lassen sich auch in Bezug auf Studentinnenverbindungen unterschiedliche ideologische Lager finden. So gibt es seit dem Beginn ihres Entstehens Anfang des 20. Jahrhunderts auf der einen Seite deutschnationale bzw. national-liberale Mädelschaften und Damenverbindungen und auf der anderen Seite konfessionell orientierte. Die Mehrheit der österreichischen aktiven Studentinnenverbindungen ist christlich. In diesem Kontext hat es zumindest immer wieder Versuche gegeben, gemischte Verbindungen zu gründen. Mädelschaften hingegen sind das Ergebnis des strikt dualen Geschlechtermodells, das in burschenschaftlichen Kreisen verfochten wird und das auch im Verbindungswesen eine klare Geschlechtertrennung vorsieht. Frauen dürfen demnach im männlichen Verbindungsleben nur an ausgewählten Veranstaltungen teilnehmen und übernehmen selbst nur vermeintliche Frauenaufgaben wie die Organisation von Brauchtumsabenden und Sonnwendfeiern oder dienen bei Burschenschafter-Bällen als standesgemäße Tanzpartnerinnen. Wenngleich sich weibliche Verbindungen vor allem in den Anfangsjahren an ihren männlichen Vorbildern orientierten und beispielsweise die hierarchische Organisationsform sowie auch Bräuche, Rituale und Komment (Regelwerk) übernahmen, lassen sich auch Unterschiede festmachen. So ist Frauen das Kämpfen von Mensuren untersagt, wird ihnen doch seit dem Entstehen der Burschenschaften die Satisfaktionsfähigkeit, die Möglichkeit, „Ehre“ nach einer Ehrverletzung oder einer Beleidigung (durch ein Duell) wiederherzustellen, abgesprochen.
Ideologische Gemeinsamkeiten. Da die Organisierung in studentischen Verbindungen während des Nationalsozialismus untersagt war und sich bis 1938 aktive deutschnationale Studentinnenverbindungen teilweise in NS-Organisationen wie der „Studentenkampfhilfe“ oder der „Arbeitsgemeinschaft Nationalsozialistischer Studentinnen“ eingliederten, dauerte es in Österreich bis Ende der 1980er-Jahre, bis sich deutschnationale Mädelschaften erneut gründeten. Zu den aktiven zählen heute die „Wiener akademische Mädelschaft Freya“ (1988), die „Sudetendeutsche Damengilde Edda“ (2000, Wien), die „Akademische Damenverbindung Barbara zu Leoben“ (2003), der „Verein Grazer Hochschülerinnen“ (1912, wiedergegründet 1987) sowie auch relativ junge Verbindungen wie die seit 2011 existierende „pennale Mädelschaft Sigrid zu Wien“ oder die 2013 gegründete „Iduna zu Linz“. Zudem lässt ein Inserat im aktuellen „Eckart“(1) darauf schließen, dass es zur Gründung einer weiteren Mädelschaft kam, in welcher Universitätsstadt, ist (mir) jedoch bislang nicht bekannt.
Deutschnationale Mädelschaften unterscheiden sich von den männlichen Äquivalenten kaum in den in ihren Reihen kultivierten „Werten“ und Ideologien, wie unter anderem bereits die sogenannten Wahlsprüche der einzelnen Verbindungen verdeutlichen. So haben gleich zwei Mädelschaften (M! Freya und Edda) „Ehre, Freiheit, Vaterland“ zum Motto und auch der „Verein Grazer Hochschülerinnen“, die älteste deutschnationale Verbindung in Österreich, macht kein Hehl aus ihrem Programm: „Gedenke, daß du eine deutsche Frau bist.“ Wie es wohl um das Frauenbild bestellt ist, zeigt sich beispielsweise am Wahlspruch der pM! Sigrid: „Edel sei die Frau, hilfreich und gut.“ Neben durchwegs biologistischen Geschlechterbildern gehören folglich auch völkischer Nationalismus sowie großdeutsche Gedanken zu den gängigen Wertvorstellungen von Mädelschaften.(2)
Mädchen deutscher Abstammung. Deutschnationale Zusammenschlüsse von Frauen sind aber kein Phänomen, das sich ausschließlich im deutschsprachigen Kontext in Europa antreffen lässt. So wurden seit Ende der 1960er-Jahre auch in Chile drei Mädelschaften ins Leben gerufen, zu denen die 1969 gegründete Mädchenschaft „Erika Michaelsen Koch“ in Santiago, die 1991 gegründete „Amankay“ in Valdivia und die 2004 gegründete „Viktoria“ in Concepción zählen und die bis heute aktiv sind. Weitere aktive Studentinnenverbindungen gibt es außerdem in Lettland, Estland und Belgien, die jedoch zum Großteil konfessionell orientiert sind. Anders als im deutschsprachigen Raum, wo die „deutsche Herkunft“ neben dem Bekenntnis zur „deutschen Volks- und Kulturgemeinschaft“ eine entscheidende Rolle für die Aufnahme in eine Mädelschaft bzw. Burschenschaft zu sein scheint, reichen in Chile gute deutsche Sprachkenntnisse sowie „aktives Interesse an dieser Sprache und Kultur“ bzw. „an der Erhaltung des deutschen Kulturguts“ als Voraussetzungen aus – wobei die Mädchenschaft „Erika Michaelsen Koch“ hervorhebt: „Mädchen deutscher Abstammung werden bevorzugt.“
Nicht zu unterschätzen. Dennoch kommt Mädelschaften in Österreich ein deutlich geringerer gesellschaftlicher Einfluss als ihren männlichen Gesinnungskameraden zu, die nicht selten wichtige Ämter in Wirtschaft und Politik innehaben. Das zeigte sich beispielsweise auch beim sogenannten „Damenverbindungstreffen“, einem jährlichen Treffen für Mädelschaften und Damenverbindungen aus dem ganzen deutschsprachigen Raum, an dem 2012 in Wien laut Eigenangaben nur neunzig Vertreterinnen teilnahmen. Allerdings sitzen aktuell neben 14 deutschnationalen Burschenschaftern sowie einem Mitglied des Mittelschüler-Kartell-Verbands auch zwei Angehörige von Mädelschaften in den Parlamentsreihen der FPÖ. Die beiden Damen sind keine Unbekannten: Barbara Rosenkranz, Mitglied der sudetendeutschen Damengilde Edda, ist in der Vergangenheit nicht nur durch die Infragestellung des Verbotsgesetzes aufgefallen. In ihrem antifeministischen, homophoben Erstlingswerk „MenschInnen. Gender Mainstreaming. Auf dem Weg zur geschlechtlosen Gesellschaft“ (2008) hetzt sie darüber hinaus gegen Gender Mainstreaming als ein von Feminismus und Marxismus geleitetes Konzept, das „Mütter“ zu geschlechtslosen Arbeitskräften erziehen wolle. Anneliese Kitzmüller wiederum ist sowohl Mitglied der aM! Iduna zu Linz als auch „Hohe Damenobfrau“ der pM! Sigrid zu Wien. Als Familiensprecherin der FPÖ wetterte sie unter anderem gegen „linke Regenbogenträume“ und bezeichnete erst vor Kurzem Mitglieder des Vereins Erinnern Gailtal als „Linksfaschisten“. Zudem schreibt sie im rechtsextremen Monatsmagazin „Aula“ und ist im Vorstand der ebenfalls rechtsextremen Österreichischen Landsmannschaft (ÖLM).
Gerade die beiden Beispiele zeigen, dass Mädelschaften – auch wenn sie zahlenmäßig deutlich kleiner sein mögen und gesellschaftlich weniger relevant – ideologisch ihren männlichen Gesinnungskameraden um nichts nachstehen. Indem ihre Mitglieder (medial und politisch) aber immer wieder lächerlich gemacht werden, werden sie nicht nur als politische Subjekte bzw. Anhängerinnen menschenfeindlichen Gedankenguts nicht ernst genommen, sondern auch sexistische Denkweisen fortgesetzt und ihre systemstabilisierende Funktion verkannt.
Judith Goetz ist Politik- und Literatur-wissenschaftlerin und Mitglied der Forschungsgruppe Ideologien und Politiken der Ungleichheit (www.fipu.at).
Fußnoten:
(1) Der „Eckart“ ist eine Monatszeitschrift der rechtsextremen Österreichischen Landsmannschaft (ÖLM).
(2) Mehr zu den ideologischen Hintergründen der Mädelschaften in Stein, Leela: „… der couleurstudentischen Tradition verpflichtet … nach den Bedürfnissen einer Damenverbindung ausgeprägt“ – Teutsche Mädels in Österreich. In: ÖH der Uni Wien (Hrsg.in): Völkische Verbindungen. Beiträge zum deutschnationalen Korporationsunwesen in Österreich. 2009. Online abrufbar unter www.oeh.univie.ac.at/fileadmin/FilesALTREF/voelk._verbindungen.pdf