Wir alle sollten ihre Namen kennen: Von Widerstandskämpferinnen wie Antonia Bruha, Käthe Sasso und Milena Gröblacher, die sich gegen das NS-Regime stellten. Von Helena Verdel.
Frauen haben aus vielfältigen Gründen gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft Widerstand geleistet – die einen aus politischer Überzeugung, andere, weil sie dem rassistischen Ideologem der Nationalsozialisten nicht folgen konnten. Frauen, die halbverhungerten Kriegsgefangenen ein Stück Brot zusteckten oder, noch schlimmer, sich in einen „Untermenschen“ verliebten, fanden sich in den Konzentrationslagern und Haftanstalten wieder, gemeinsam mit den Frauen, die bewusst die Entscheidung getroffen hatten, sich gegen das Regime zu stellen.
Frauen wie Antonia Bruha, Käthe Sasso oder Milena Gröblacher haben nach 1945 maßgeblich dazu beigetragen, dass ihr Beitrag und jener ihrer Mitkämpfer*innen an der Befreiung nicht in Vergessenheit geriet, unabhängig davon, ob das dem politischen und publizistischen Mainstream als Thema gerade genehm war oder nicht.
„Ich war keine Heldin“. Antonia Bruha (1915-2006), Wiener Tschechin und Sozialistin, beginnt schon in der Zeit des Austrofaschismus damit, Widerstand zu leisten, indem sie illegale Zeitungen aus der Tschechoslowakei nach Österreich schmuggelt. Nach der Okkupation durch Hitlerdeutschland schließt sie sich einer tschechisch-sozialistischen Widerstandsgruppe an, sie schreibt und verteilt Flugblätter und beteiligt sich an Sabotageaktionen. 1941 fliegt die Gruppe auf, von hundert Festgenommenen überleben nur 31 Personen.
Antonia Bruha wird knapp drei Monate nach der Geburt ihrer Tochter verhaftet und weiß lange nichts über den Verbleib ihres Kindes. Folter, Einzelhaft, die Ungewissheit über das Schicksal der Menschen, mit denen sie gekämpft hat, vor allem aber das Schicksal ihres Mannes und ihres Kindes trieben sie an den Rand der Verzweiflung. Erst als sie von einer Wärterin die Nachricht bekommt, dass ihr Mann frei und ihr Kind in Sicherheit ist, fasst sie wieder Mut. Nach einem Jahr Gefängnis wird sie in das KZ Ravensbrück überstellt. Auch dort, inmitten des tagtäglichen Grauens, bleibt sie politisch aktiv und engagiert sich im internationalen Lagerkomitee. Die Flucht gelingt ihr gemeinsam mit einer Genossin Ende April 1945 auf einem der Evakuierungsmärsche, auf dem zuletzt noch viele Frauen aufgrund von Hunger, Erschöpfung, oder weil sie zu Tode geprügelt oder erschossen wurden, umkamen. Nach dem Krieg schreibt sie das Erlebte nieder, um das Geschehene zu verarbeiten, aber auch um sich an die Menschen zu erinnern, mit denen sie Haft und Lager geteilt hatte. Diese Erinnerungen bilden die Grundlage für ihre 1984 im Europaverlag erschienene Biografie „Ich war keine Heldin“.
Antonia Bruha wird 1947 Gründungsmitglied der Lagergemeinschaft Ravensbrück und arbeitet später im 1963 gegründeten Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes ehrenamtlich mit.
Das Bild geraderücken. Ebenfalls Gründungsmitglied der Lagergemeinschaft Ravensbrück war die im April fast hundertjährig verstorbene Käthe Sasso (1926-2024), eine Burgenlandkroatin, die in Wien aufgewachsen ist. Da beide Elternteile schon im Kampf gegen den Austrofaschismus aktiv waren – der Vater wurde 1935 für einige Zeit eingesperrt –, kommt sie schon sehr früh in Kontakt mit antifaschistischem und widerständigem Gedankengut. Sie muss auch miterleben, wie Freunde ihrer Eltern bald nach dem sogenannten Anschluss verhaftet werden und verschwinden. Für die Familien der Inhaftierten wird Geld gesammelt, es werden Flugblätter gegen den Krieg produziert. Als der Vater 1940 zur Wehrmacht einrücken muss und die Mutter 1941 nach schwerer Krankheit verstirbt, macht die 15-jährige Käthe einfach weiter. Doch der Gestapo gelingt es, einen Spitzel in ihre Gruppe einzuschleusen, Käthe Sasso wird im August 1942 verhaftet. Von Jänner 1943 bis zum 26. April 1944 sitzt sie im Landesgericht 1 ein, wo auch die Hinrichtungen stattfanden. Sie selbst bezeichnet diese Zeit in einem Interview als die schlimmste ihres Lebens, die vielen letzten Worte, die von den Verurteilten aus dem Parterre hinaufgeschrien werden in den vierten Stock, wo Käthe Sasso in der Jugendzelle einsaß, werden sie bis ins hohe Alter verfolgen. Nach dem Krieg ist es ihr ein Herzensanliegen, diesen Toten eine würdige Ruhestätte zu sichern. Verscharrt am Zentralfriedhof in der Gruppe 40 mussten sie allerdings bis 2013 warten, ehe ihnen dank der Bemühungen von Käthe Sasso und ihren Mitstreiter*innen endlich ein würdiges Gedenken durch die Stadt Wien zuteil wird. Das Areal wird zur Gedenkstätte für die Opfer der nationalsozialistischen Justiz umgewidmet. Käthe Sasso selbst entgeht der Hinrichtung, weil sie beim Prozess von allen Mitkämpfer*innen geschützt wurde. Doch wie für so viele andere hieß das nicht Freiheit, sondern Konzentrationslager. Sie kommt zuerst in das Arbeitserziehungslager Oberlanzendorf, im Herbst 1944 dann in das Frauenlager Ravensbrück. Nach dem Krieg muss sie erkennen, wie sehr die nationalsozialistische Propaganda nachwirkt und dass auch nach 1945 ehemalige KZ-Insass*innen als „arbeitsscheues Gesindel“ und „Verbrecher“ denunziert werden. Dieses Bild zurechtzurücken ist Käthe Sasso zeitlebens ein Anliegen.
Kampf der Partisan*innen. Anders der Weg der Kärntner Sloweninnen. Auch sie lehnen das rassistische Weltbild der Nationalsozialisten ab, leisten jedoch zunächst keinen aktiven Widerstand. Erst als nach dem Überfall auf Jugoslawien 1941 alle slowenischen Institutionen verboten und geplündert werden und 1942 über 300 Familien verschleppt wurden, um ihre Bauernhöfe den sogenannten Optanten aus dem Kanaltal übergeben zu können, wird klar, dass Stillhalten für die slowenische Volksgruppe keine Überlebensstrategie ist. Die ersten Mitglieder der Befreiungsfront und die Partisan*innen in ihrem Gefolge treffen auf eine große Bereitschaft, sich dem Widerstand anzuschließen. Aber wer ist überhaupt noch auf den Höfen? Jugendliche, ältere Männer – die jungen waren zur Wehrmacht eingezogen worden – und vor allem Frauen. Sie sind es, die den Kämpfer*innen das Überleben im Untergrund in den Wäldern ermöglichen. So auch Milena Gröblacher (1921-1997) aus St. Kanzian, die sich im Herbst 1943 der Befreiungsfront anschließt. Sie sammelt Sanitätsmaterial, Bekleidung, organisiert Papier für die illegalen Drucksorten der Partisan*innen, verbreitet Flugblätter, sammelt Informationen über die Infrastruktur der Umgebung, überbringt Nachrichten, wenn Aktionen gegen die Partisan*innen geplant sind und ist vor allem ein wichtiges Bindeglied zwischen der illegalen Welt der Partisan*innen und ihren Unterstützer*innen.
Als ihre Freundin Lizika Ročičjak 1944 verhaftet, verhört und Anfang 1945 zu Tode verurteilt und hingerichtet wird, ist ihre Angst groß, dass auch ihr Widerstand der Gestapo bekannt wird. Doch die Freundin hält stand und Milena Gröblacher überlebt. Bei den Treffen mit den Partisan*innen werden aber nicht nur Aufgaben verteilt, sondern es wird auch politisch diskutiert. Zum ersten Mal werden Milena und ihre Genoss*innen als Menschen angesprochen, die ein Recht darauf haben, diese Welt mitzugestalten und ihre Stimme auch in der Öffentlichkeit zu erheben, etwas, das in ihrer patriarchalen katholischen Welt vorher undenkbar war. Ihre Stimme hat Milena Gröblacher auch nach dem Krieg weiter erhoben: als Vorsitzende des Slowenischen Frauenverbandes, der Nachfolgeorganisation der 1943 gegründeten Antifaschistischen Front der Frauen, für die Rechte der Frauen, für die Rechte der Kärntner Slowen*innen.
Das ist diesen drei Frauen und vielen anderen Frauen, die Widerstand gegen den Nationalsozialismus geleistet haben, gemeinsam: Sie haben nach dem Krieg über das Erlebte erzählt, in Schulen, bei Diskussionsveranstaltungen, Gedenkfeiern, in Büchern. Sie haben damit auch all jenen, die mit ihren Leben bezahlten, eine Stimme gegeben. Und sie haben Dokumente über diese Zeit gesammelt und so dafür gesorgt, dass die historische Forschung genug Material hat, damit es der Widerstand der Antifaschist*innen auch in die Geschichtsbücher schafft.
Helena Verdel ist eine österreichisch–slowenische Publizistin und Sachbuchautorin.