Die überarbeitete Neuauflage von Susie Orbachs Klassiker „Bodies“ macht deutlich: Die Beziehung zu unseren Körpern ist trotz Body-Positivity eine feindliche. Von Beate Hausbichler
Susie Orbach erzählt Körpergeschichten. Geschichten von persönlichen und frühkindlichen Erfahrungen, die das Verhältnis zu unserem Körper prägen. Gleichzeitig sind es Geschichten von verschiedensten Gesellschaften und deren Umgang mit Körpern, denn auch sie sind maßgeblich an dieser Prägung beteiligt, der wir kaum entkommen können.
Allerdings wandelt sich sowohl der Umgang von Eltern und Einflusspersonen mit Kindern als auch das gesellschaftliche Umfeld, weshalb die Analyse unseres Verhältnisses zum Körper immer wieder einer Aktualisierung bedarf. Die erste Ausgabe von Susie Orbachs „Bodies“ erschien 2009, nun ist gut zehn Jahre später eine überarbeitete und erweiterte Neuauflage erschienen, in der sie ihre langjährigen Beobachtungen zum Körperbewusstsein in den Kontext neuer medialer und gesellschaftspolitischer Entwicklungen stellt.
Eines steht schnell fest: Leichter haben wir es mit unseren Körpern heute sicher nicht. Obwohl wir inzwischen im Großen und Ganzen durchschauen, dass riesige Industrien und die Globalisierung von Schönheitsidealen hinter unserem hyperkritischen Blick auf Körper stehen, nehmen wir trotzdem den weit verbreiteten Körperhass vorwiegend auf unsere Schultern. „Unsere Tragödie ist es, dass wir diese Sozialpathologie individuell und privat erleben“, schreibt Orbach.
Als Susie Orbach als Psychotherapeutin begann, nahm sie die Ess- und Körperbildstörungen der Menschen, die zu ihr kamen, als ein „fernes Grollen von Körperunsicherheiten“ wahr. Heute, über vierzig Jahre später, sind diese Leiden für derart viele Menschen so selbstverständlicher Teil des Alltags, dass sie den Körper der Gegenwart als nichts Geringeres als den Gegenstand eines Krieges beschreibt. Übertrieben?
Wer niemanden kennt, der mit seinem Körper zu kämpfen hat und ihn meistens als verbesserungswürdig und mangelhaft betrachtet, oder das auch von sich selbst nicht sagen kann, kann das behaupten. Doch da wird es kaum jemanden geben, vor allem nicht unter Frauen.
Die ständige Berieselung mit Kommentaren über Körper und seine angeblichen Mängel seien der Ausdruck einer Kultur, die seit der Industrialisierung körperliche Enteignung betreibe, schreibt Orbach. Der Körper wurde zum Arbeitsfeld, auf dem neoliberaler Machbarkeitswahn und Kontrollfantasien ausagiert werden.
Es ist beeindruckend, wie Susie Orbach in diesem Buch die alte, aber stabile cartesianische säuberliche Trennung von Körper und Geist auseinanderkletzelt. Angesichts der Tiefen, in die sie dabei vordringt, wirken die gut gemeinten Body-Positivity-Gesten auf Instagram oder TikTok und die kommerziellen Kampagnen unter diesem Banner fast ein bisschen lächerlich. Ja, sogar kontraproduktiv: Es verkennt die Komplexität des Körperbewusstseins. Hinzu kommt, dass das kaputte Verhältnis zu unserem Körper sich auch von der verbreiteten Vorstellung von absoluter Machbarkeit und Performance nährt. Denn angesichts neuer Technologien sehen wir einen schier unendlich erweiterbaren Handlungsspielraum vor uns. Und durch die digitale Bilderflut wird die ständige Darstellung der Körper Dreh- und Angelpunkt eines entfremdeten Körperbewusstseins – was allein zählt, ist der Blick von außen, des Anderen.
Die im Buch dargelegten Fallgeschichten aus Orbachs Praxis zeigen auch ihre interessante Haltung zu Körperanpassungen, etwa bei transidenten Menschen. Sie kritisiert einerseits postmoderne Theorien, die Körper in erster Linie als fließende und symbolische Konstrukte beschreiben. Diese seien zwar spielerisch-produktive Ansätze – allerdings keine Hilfe für jene, die an einer fehlenden Übereinstimmung mit ihrem Körper leiden. Denn letztlich würden wir nach körperlicher Stabilität suchen, nach einem verlässlichen Zuhause, das nicht ständig Ort von Aushandlungen, Kontrolle und Optimierung ist. Demnach müssten wir aber laut Orbach den Körper sowohl als Ort der Selbstdefinition als auch als physische Gegebenheit begreifen. Und das ist wohl eine der größten Herausforderungen – aber definitiv ein Weg, um die quälende Unsicherheit mit unseren Körpern zu lindern. •