In einer mutigen Rede kritisierte Luna Jordan Machtmissbrauch in der Schauspielbranche. Die junge Berlinerin will selbst Teil eines Wandels sein. Von Laura Helene May
In Österreich ist Luna Jordan spätestens seit dem Filmpreis 2022 einem großen Publikum bekannt. Für ihre Rolle als Gefängnisinsassin Samira in Arman T. Riahis Spielfilm „Fuchs im Bau“ wurde sie als beste weibliche Nebenrolle ausgezeichnet – und nutzte die Bühne für einen Weckruf: „Ich bin gerade einmal zwanzig Jahre alt und ich bin bereits viermal Opfer von sexuellem Missbrauch an Filmsets und Theaterhäusern geworden. Das sollte nicht normal sein, ist es aber.“ Eigentlich wollte sie diese Rede nie halten – doch kurz vor der Verleihung erfuhr sie von erneutem Machtmissbrauch hinter der Bühne und einem sexuellen Übergriff auf ihren besten Freund. Der dafür verantwortliche österreichische Filmemacher war an diesem Abend bei der Preisverleihung anwesend und Jordan erhob ihre Stimme – gegen Gewalt in der Kulturbranche. „Es gehört zum Erwachsenwerden, dass man zu den eigenen Haltungen stehen kann“, sagt sie im an.schläge-Interview. Ihr Mut wurde mit Standing Ovations belohnt.
Die Berlinerin blickt mit gerade einmal 21 Jahren bereits auf eine vielseitige Karriere zurück: Im Fernsehen stand sie für ZDF-Krimireihen wie „Bergdoktor“ oder „Kommissarin Lucas“ vor der Kamera. Auch im Jugendensemble und den Kammerspielen des Deutschen Theaters in Berlin wirkte Jordan mit sowie in Kurzfilmen und der sechsteiligen Netflix-Serie „Schlafende Hunde“, die im Mai startet. „Fast alle Kolleg*innen am Theater haben Machtmissbrauch erlebt“, sagt Jordan. An den Schauspielhäusern gebe es immer noch alte Machtstrukturen und starre Hierarchien. Ganz anders sei der Umgang hingegen an Sets von Streaming-Diensten. Achtsamkeit für Machtmissbrauch spiele bei Netflix schon während der Dreharbeiten eine Rolle. Zum Beispiel in Form von kurzen Aufklärungsvideos, die über angemessene Umgangsformen und Diskriminierung informieren. „Obwohl das so banal erscheint, ist das vielen Menschen nicht klar. Ich finde es super, dass die Streamer darauf achten.“ Wenn sie sich am Set dennoch mal unwohl fühlt, hat die junge Schauspielerin schnell gelernt, sich Vertraute zu suchen und über kritische Situationen zu sprechen. „Wenn einem so etwas passiert, denkt man ja oft erst einmal: Habe ich das jetzt falsch interpretiert?“
Auch wenn das Thema sich nicht darauf reduzieren lasse, nimmt Luna Jordan einen deutlichen Generationen-Gap wahr. Männer über sechzig „ignorieren das oft“, sagt sie. Sie verteidigen z. B. sexistische Witze und verkaufen das als „ Humor“, den andere nicht verstehen würden. Mit jungen Regisseur*nnen habe sie hingegen noch nie ein Problem gehabt. Das Alter mache auch in anderer Hinsicht einen großen Unterschied, nämlich bei Rollenangeboten. „Bei weiblich gelesenen Personen ab vierzig gibt es einen krassen Cut“, sagt Jordan und verweist auf den Aufruf des Magazins „Palais F*luxx“ „für ein zeitgemäßes Altersbild von Frauen in Film und Fernsehen“. Für sie blieben oft nur die Rollen der Mütter, Schwestern und Ehefrauen übrig – vom Fehlen nicht-binärer Figuren ganz zu schweigen. „Ich hoffe, dass auch hier ein Wandel kommt“, sagt die Schauspielerin.
Für sie als junge Frau gebe es attraktive Rollen, was aber auch oft abhängig vom Medium sei, also ob Fernsehen, Kino, Theater oder Streaming-Dienste. Insbesondere letztere würden mehr wagen und so auch interessantere Rollenangebote bieten. „Das sieht man etwa an Serien wie ‚Euphoria‘ oder ‚Sex Education‘“, sagt Jordan. Auch mit Debütfilmen hat sie gute Erfahrungen gemacht, denn „da trauen sich Regisseur*innen noch was“. Interessante emotionale Reisen und verkorkste Charaktere reizen Jordan ganz besonders, wenn sie ein Drehbuch vorgelegt bekommt. Inzwischen schreibt sie aber auch selbst. „Wenn ich nicht drehe, schreibe ich“, sagt sie. Ihr Kurzfilmdebüt „Furor“ ist ein Plädoyer für das Ausleben weiblicher Wut, lief auf Filmfestivals wie der Diagonale und wurde mehrfach ausgezeichnet. Auch ihr erster Langspielfilm ist bereits in Arbeit, entwickelt wurde er von einem Autor*innenkollektiv, mehr wird noch nicht verraten. Interessante Rollen dürfte Luna Jordan also bald selbst liefern. •