Die Sauna als sakraler Ort: „Smoke Sauna Sisterhood” von Anna Hints ist ein einzigartiger Film darüber, welche Zumutungen ein Frauenleben in petto hat – und was dagegen hilft: Austausch und Solidarität. Von Julia Pühringer
89 Minuten lang sitzen ein paar Frauen in der Sauna und unterhalten sich, so könnte man wohl die Handlung der Doku der estnischen Filmemacherin, Künstlerin und Frontfrau einer Folkband Anna Hints zusammenfassen – und würde sie damit völlig ungenügend beschreiben. Hints gewann beim Filmfestival in Sundance den Preis für die beste Regie in der Kategorie „World Cinema Documentary“. Kein Wunder: „Smoke Sauna Sisterhood“ ist revolutionäres Kino.
Draußen liegt Schnee, eine Frau hackt andächtig ein Loch ins Eis eines Sees, damit sich die Sauna-Besucherinnen später darin abkühlen können. Dann sitzen sie gemeinsam in dieser winzigen Sauna-Holzhütte mitten im Wald, Frauen aller Altersgruppen und Einkommensschichten, schwitzend, sie massieren sich mit gebündelten Birkenästen, es tropft, es ist dunkel, die Luft dampft, die Körper sind, so wie sie sind, ganz ohne patriarchalen Blick, der sie bewertet. Ganz ohne Männer, die zuhören, geht es in den Gesprächen schnell ans Eingemachte.
Also reden sie, die Frauen: über den ersten Kuss, die erste Liebe. Auch über die Liebe zu einer Frau, die man verstecken musste. Über die strenge Mutter, die einen geliebt hat, aber nie gelernt hatte, es zu zeigen. Eine erzählt von dem übergriffigen Mann, der plötzlich die Autotür versperrt hat. Von dem Mädchen, das wenig später ermordet wurde. Und von den anderen Männern, die meinten, ach, eh schon egal, du bist jetzt keine Jungfrau mehr, hier hast du einen Schnaps.
Die Protagonistinnen erzählen sich also „arge Geschichten“, klar wird dabei allerdings vor allem eines: wie normal sie sind. Eine erzählt von den Schmerzen, ein totes Kind auf die Welt bringen zu müssen. Eine berichtet davon, wie es ist, mit einer Krebsdiagnose zu leben. Sie sprechen leise – nicht, weil sie sich fürchten, sondern weil keine Distanz sie trennt, die übertönt werden muss. Diese Sauna ist ein geschützter Raum, hier kann in klaren Worten benannt werden, was das Leben einer Frau so zumutet. Es wird getröstet und umarmt, auch gelacht. Komplett absurd ist es eigentlich, das Patriarchat, genauso bizarr wie bösartig.
Das Themenfeld ist weit: Was ist der Wert einer Frau? Auch: Was ist der Wert eines Körpers? Und: Woran wird er festgemacht? Dieser Film zeigt es sehr deutlich: Seine ungeheure Kraft liegt ganz woanders als in normativen Schönheitskriterien – sie liegt nicht zuletzt darin, was so ein Körper alles schafft, überwindet, teilweise auch überlebt. Der Frauenkörper ist ein starker Verbündeter, dessen Stärke niemals in der Form seiner Brüste oder des Bauchs gemessen werden kann. Zu benennen, was diesem Körper, diesen Frauen zugemutet wird – das wird schnell klar – ist ein Akt der Ermächtigung. Sich gegenseitig solidarische Zeugin zu sein, ebenfalls.
Es gelingt Anna Hints, diesen beinah sakralen, intimen Raum für das Publikum zu öffnen, sodass auch wir noch Platz haben auf den Bänken und teilhaben können an den Gesprächen – auch wenn man ihr anfangs bescheinigt hat, dass es eigentlich unmöglich ist, in einer Rauchsauna zu drehen. Sie hat, wie die Sauna, einen Ort für diese Geschichten geschaffen, nun auch auf der Leinwand, wo sie so dringend hingehören und oft fehlen.
„Die Sauna ist ein heiliger Ort der Reinigung“, sagt eine der Protagonistinnen im Film. Letztlich ist es natürlich nicht die Sauna – es ist dieser Austausch, der beseelt, bestärkt, aber natürlich auch unfassbar zornig und wütend macht wegen all der Ungerechtigkeiten, die Frauen von klein auf aushalten müssen. „Smoke Sauna Sisterhood“ ist ein Film von unglaublicher Wucht und großer Zärtlichkeit gleichermaßen.
Julia Pühringer ist Journalistin und schreibt unter anderem über bewegte Bilder.