Beim Berliner NoNo Verlag ist der Name Programm. Von REGINA KNOLL
Der Berliner NoNo Verlag verfolgt einen besonderen politisch-emanzipatorischen Ansatz: Er hat sich auf die Herausgabe von nicht-(hetero)normativen Büchern für Erwachsene und Kinder spezialisiert. Die Bücher für große Menschen widmen sich überwiegend den Themen der Inter- oder Trans*geschlechtlichkeit, jene für kleine Menschen beinhalten Geschichten, die bestehende gesellschaftliche Machtverhältnisse möglichst wenig re/produzieren. So werden im 2009 erschienenen, ersten Buch des Verlags „Unsa Haus und andere Geschichten“ beispielsweise People of Color und Schwarze Menschen nicht rassifiziert oder ständig auf wenige Merkmale und Eigenschaften reduziert, gleichgeschlechtliche Paare können ohne Hindernisse als Eltern fungieren, und die Kleidungsvorlieben kleiner Protagonist_innen werden nicht von biologisch zugeteilten Merkmalen bestimmt. Ein weiteres Kinderbuch des Verlags, das 2011 veröffentlichte „Raumschiff Cosinus“, erzählt auf 48 Seiten im Science-Fiction-Stil von der Idee der Wahlfamilie und dem Wunsch, sich deren Mitglieder selbst aussuchen zu können. Beide Bücher brillieren mit einfühlsamen, kindgerechten und überaus detaillierten Zeichnungen und bieten den Leser_innen die Möglichkeit, für eine kurze Zeit in eine Umgebung einzutauchen, die hoffnungsvolles Träumen erlaubt.
Ein Platz in der Welt. Das mag einerseits nach einem utopischen Ansatz klingen, der reale Ausschlüsse verdrängt. Andererseits können solche Bücher auch dazu beitragen, dass kleinen und großen Menschen eine Welt präsentiert wird, in der es mehr als nur die gesellschaftlich vorgegebenen Optionen des Zusammenlebens gibt und deren Wahrnehmung subversive Kräfte aktiviert. Indem normative Ansätze infrage gestellt werden, werde der Blick der kleinen Leser_innen darauf verändert, was später als „normal und dazugehörend empfunden wird“, so Ben Böttger, Mitbegründer des Verlags. Gleichzeitig werde ihnen das Gefühl vermittelt, dass sie „einen Platz in dieser Welt haben, egal, wie sie sich weiter entwickeln“.
Leerstelle „NonNormative“. Entstanden ist der Verlag aus dem Berliner „Anti-Discrimination Future Projekt“, das sich 2010 formierte, um ein nicht-normatives Kinderbuch zu schreiben. Aus diesen Bemühungen ging schließlich „Unsa Haus“ hervor, das an Schulen, in KiTas und Leseförderprojekten auf enorm positive Resonanz stieß. Von hier an war der Weg zur Gründung eines eigenen Verlages nicht mehr weit. Ina Schneider und Ben Böttger, beide an der Entstehung des Buches beteiligt, erkannten, dass es noch viele andere Ideen für nicht-heteronormative Bücher gab, sich jedoch kein Verlag fand, der sich diesem Schwerpunkt widmete. Deshalb beschlossen die beiden, ihren eigenen Verlag zu gründen.
Die erste Zeit gestaltete sich für Schneider und Böttger sehr aufregend und emotional. Ben Böttger merkte, dass vor allem „ganz viel Arbeit und enorm viel Papierkram“ anstand. Es gab eben viel zu lernen, zu organisieren und zu koordinieren beim NoNo Verlag, dessen Name sich von „NonNormative“ ableitet. Die beiden Gründer_innen widmeten ihre gesamte Zeit der Verlagsarbeit, informierten sich über Modelle der Existenzgründung und bürokratische Auflagen. „Vieles“, so Böttger, „ist auch ziemlich schiefgegangen und musste unter ‚draus lernen und nächstes Mal besser machen‘ verbucht werden.“ Bald wurde auch klar, dass die Produktion von Kinderbüchern finanziell sehr aufwendig war und sich der Verlag nicht von alleine tragen konnte. Für Schneider und Böttger bedeutete das, dass sie anderen Arbeitsbeschäftigungen nachgehen mussten und dadurch weniger Bücherprojekte unterstützen konnten. Trotz dieser Schwierigkeiten brachte der Verlag innerhalb von zwei Jahren vier spannende Bücher heraus.
Prekär trotz Erfolg. Mittlerweile besteht der NoNo Verlag nur mehr aus Ben Böttger, Ina Schneider ist noch an einer aktuellen Zusammenstellung eines Sammelbands zum Thema „Inter*“ beteiligt. Weil es an Mitarbeiter_innen mangelt und die Produktionskosten für kommende Projekte nur teilfinanziert sind, können viele interessante Buchideen zurzeit nicht durchgeführt werden. Trotzdem wächst die Leser_innenschaft, und NoNo-Bücher und ihre Thematiken erhalten mehr mediale Aufmerksamkeit. Konkrete Zukunftswünsche gibt es auch: „Wenn es finanziell irgendwann so läuft, dass die Bücher ihre Kosten tragen und auch für die Arbeit noch etwas rausspringt“, sagt Ben Böttger. „Ich wünsche mir jedenfalls, dass ich, zusammen mit anderen Leuten, noch so einige tolle Bücher rausbringen kann.“ λ
Regina Knoll hat Gender Studies in Berlin studiert und schreibt zu den Themen Migration, Zugehörigkeit, Rassismus und Sexismus. Zurzeit absolviert sie ein Praktikum bei maiz, dem Autonomen Zentrum von und für Migrantinnen in Linz.
Das Porträt setzt sich aus Passagen eines Interviews zusammen, das die Autorin mit Ben Böttger im April 2013 führte. Das gesamte Interview ist ab 7. Juni in der aktuellen Ausgabe von www.migrazine.at nachzulesen.
Informationen zum Verlag und Bestellungen unter: www.nono-verlag.de
Im NoNo Verlag sind bisher erschienen:
Ben Böttger, Rita Macedo u.a.: Unsa Haus und andere Geschichten, 2010
Tanja Abou: Raumschiff Cosinus – Der Bordcomputer hat die Schnauze voll, 2011
Justin Time & Jannik Franzen (Hrsg.): Trans*_Homo. Differenzen, Allianzen, Widersprüche/Differences, Alliances, Contradictions, 2012
Finn Ballard u.a.: Transmasculinities 2011. Pictures From Beyond the Malestream, Fotokalender (Nostalgie-Exemplar 2011)