Es ist ein Fehler aufgetreten. Gerade wollte ich über meine Verwobenheit im Sein schreiben, über die Erkenntnis, im Loop eines ewigen Winterherbstes gefangen zu sein, als die Wolkendecke riss, ein Sonnenstrahl die Dächer von Berlin erhellte und plötzlich andere Farben als bleierne Grautöne zum Vorschein brachte. Ich hatte es mir schon so gut zurechtgelegt: Wie das Wetter die dem Komponieren gewidmete Eremitage begünstigt, eine Vorliebe grauer Textilien zeitigt, als hätte ich das Bedürfnis, den Himmel widerzuspiegeln, die Flucht nach vorne anzutreten. Wie die braunschwarzen, kahlen Zweige ehemals lieblich begrünter Gewächse mit den spröden Erzeugnissen der granularen Resynthese meiner eigenen Stimme korrelieren. Ich wollte beschreiben, wie sich, unheimlich und betörend gleichzeitig, brüchige Bassfelder unter ächzenden und knarzenden Singularitäten ausbreiten, aus denen wiederum spektrale Schwebungen hervorgehen, eine elysische Traumwelt vorgaukelnd, selbstverständlich flüchtig und durchdrungen von Irritationen und Disharmonien.
Und jetzt? Frühling, frische Farben und erneuertes Leben? Moment, stopp! Ich weiß, es kann ganz schnell gehen. Ich dreh mich einmal um und es ist nichts mehr mit gedeckten Tönen, Schmutz, schroffen Formen und harten Konturen. Aber ich brauche dieses scheinbar feindliche Ambiente noch, meine Notizen mahnen zu Ernst und Arbeitseifer, ungestörte Reflexion und Präzision sind jetzt wichtig, wenige Wochen vor Premiere des neuen Stückes, „de rigueur“! Immerhin, die Dunkelheit bricht ein, das hilft fürs Erste. Heute wird es sehr langsam spät. Das Vergehen und das Werden, die unaufhaltsamen Prozesse des alltäglichen Lebens scheinen für eine Weile stillzustehen. Im Studio leuchten freundlich nüchterne Dioden, ich mache weiter.
Im Übrigen sei festgehalten, dass die Beschäftigung mit radikal philosophischen Opern eine Disposition zu lyrischer Ausdrucksweise enthüllen kann.
Electric Indigo erarbeitete gemeinsam mit Pia Palme, Paola Bianchi und Ivan Fantini die zeitgenössische Oper ABSTRIAL, die am 25. April im KosmosTheater, Wien, uraufgeführt wurde.