Ich packe meine Koffer und nehme mit: zehn Jahre Wien, Plastikcontainer voller Musikequipment, gefundene Fotoalben, Sackerl voller Nähgarn, Taschentücher, alte Kinderbücher, Schachteln voller Zines, leere Bilderrahmen und Squalloscope-Merch, Mappen voller Zeichnungen, Drucke, Farben, Werkzeug, Fotos von Menschen, die mir früher näher standen, Stromrechnungen, kuriose Dinge, die ich seit zehn Jahren aufhebe, weil sie irgendwann einfach superwichtig sein werden, zwei Nachtkastln von 1936, zehn Sorten Klebstoff, drei Meter Jersey, fünf Meter Baumwolle, eine Nähmaschine, Säcke voller Kleidung, Schubladen voller Speichermedien, zehn Meter Aquarellpapier und ein Kaffeeservice mit Blümchenmuster.
Die Sache mit dem Sammeln passte noch nie so ganz in meinen Plan, aus drei Koffern leben zu können. Oder: Der Plan, aus drei Koffern leben zu können, passte noch nie so ganz in meinen Plan, hochinteressante Dinge zu sammeln. Ich kann die Umzugskisten kaum tragen und trotzdem bleibe ich bei den Resten des Naschmarkt-Flohmarktes stehen und bin bereit, jedes alte Foto und jedes kuriose Buch vor der Müllabfuhr zu retten. Ich könnte mich selbst in den Arsch beißen. Ich habe die Musiksammlung digitalisiert und besitze fast nur noch Platten von Menschen, die ich kenne, weil ich Musik komprimieren kann und Nachtkastln von 1936 nicht. Ich habe nicht mal mehr Skrupel, nur noch E-Books zu kaufen. Ich würde gern alles andere auch komprimieren: Koffer und Schachteln in eine .zip-Datei packen! Das Bett in die Cloud hochladen. Das Badezimmer am USB-Stick mitnehmen. Ach was, da würde das Klo auch noch draufpassen. Alles digitalisieren! Dann könnte ich auch endlich erfolgreich dem Bedürfnis nachgehen, verlorene Socken zu googeln. Ich würde sie alle wiederfinden, in einem schreibgeschützten Unterordner von „Gwand_02“. Ein feines Leben wäre das. Ein feines, blödes Leben.
Anna Kohlweis zieht um und weiß noch nicht wohin und fühlt sich dabei ähnlich instabil wie eine Software-Testversion.