Viele Frauen haben in Österreich und Europa Widerstand gegen den Faschismus geleistet. Ihre Namen gehören noch immer nicht zum Allgemeinwissen. Dabei bestärkt das Wissen um ihre Solidarität und ihren radikalen Mut nicht nur in Zeiten wie diesen ungemein. Von Julia Pühringer
La Dinamitera« war der Spitzname von Rosario Sánchez Mora (1919-2008) – weil sie so verdammt gut Bomben bauen konnte im Kampf gegen Franco in Spanien. Nachzulesen ist ihre Geschichte in Ingrid Strobls Kultbuch „Sag nie, du gehst den letzten Weg. Frauen im bewaffneten Widerstand gegen Faschismus und deutsche Besatzung“. „Ich bin nicht an die Front gekommen, um mit einem Putzlumpen in der Hand zu krepieren“, wird Sánchez Mora zitiert. Sie hat sich den zugeteilten „Frauenaufgaben“ im Widerstand verweigert, wie auch die Anarchistinnen der „Mujeres Libres“, die im Spanischen Bürgerkrieg ihre Mitkämpfer wissen ließen, dass sie den Kampf gegen die Unterdrückung der Frau im Privaten bereits während des Widerstands gegen den Faschismus zu führen gedachten. Strobl hat in den 1980er-Jahren viele Widerstandskämpferinnen noch selbst interviewt. Sie wurde, nachdem sie sich als vertrauenswürdig erwies, weitergereicht.
IN DIE LUFT SPRENGEN. Strobl hat als erste formuliert, warum so wenig über die Widerstandskämpferinnen bekannt war – übrigens auch in Deutschland und Österreich: Es lag einerseits an ihrem Geschlecht, aber auch daran, dass viele außerdem Jüdinnen und Kommunistinnen waren. Und so mancher Widerstandskämpfer fand seine Kolleginnen in seinem Buch nicht erwähnenswert. Dabei waren sie ungemein radikal: Strobl erzählt von Hannie Schaft, dem „Mädchen mit den roten Haaren“, die gemeinsam mit Truus und Freddie Oversteegen aus den Niederladen auf die Erschießung von SD-Offizieren spezialisiert waren. In Warschau waren junge Frauen im Widerstand aktiv, die so gefährlich waren, dass es den Befehl gab, sie nicht mehr zu verhaften, sondern sie sofort zu erschießen, „da sie immer wieder noch in der letzten Sekunde eine Handgranate zündeten und damit nicht nur sich selbst, sondern auch den, der sie festnehmen wollte, in die Luft sprengten“. Strobl erzählt von „der kleinen Wanda mit den blonden Zöpfen“, Nuita Tejtelbojm, die, von grinsenden Wachen ins Gestapo-Gebäude in Warschau eingelassen, ins Büro des Offiziers marschierte, ihn erschoss und wieder verschwand. Ihre Abteilung sprengte auch Bahnlinien, um den Nachschub an die Ostfront zu unterbinden. Filmreif und abenteuerlich klingen viele dieser Geschichten und man fragt sich, warum es die dazugehörigen Filme nicht gibt.
Es ist die unglaubliche Geschichte vom Widerstand gegen Wilhelm Kube, einem der „berüchtigtsten Schlächter in den besetzten sowjetischen Gebieten“, der gern junge Frauen im Hauspersonal hatte: Es war die Partisanin Halina Mazanik, die von Mitgliedern des Untergrunds eine Bombe übernahm, unter sein Bett legte und „damit einen der sadistischsten Mörder des Besatzungsregimes tötete“. Sie wurde später stellvertretende Direktorin der Hauptbibliothek der Nationalen Akademie der Wissenschaften von Belarus. Das Buch ist voll grauenerregender Berichte von Massakern, Folter, Mord und Kollektivstrafen, aber auch voll von unfassbarem Mut.
FRAUENGESCHICHTEN SICHTBAR MACHEN. Es sind zumeist Frauen, die diese Geschichten von Widerstandskämpferinnen weitererzählen, nicht nur in Büchern. Susanne Zanke verfilmte mit geringem Budget in „Eine Minute dunkel macht uns nicht blind“ 1987 die Geschichte von Architektin Margarete Schütte-Lihotzky, deren Rolle im kommunistischen Widerstand neben ihrer Erfindung der „Frankfurter Küche“ zu oft in den Hintergrund rückt. Sie war freiwillig nach Wien zurückgekehrt und wurde dort verraten und inhaftiert. In „Küchengespräche mit Rebellinnen“ haben Karin Berger, Elisabeth Holzinger, Lotte Podgornik und Lisbeth N. Trallori die Geschichten der Widerstandskämpferinnen Rosl Grossmann-Breuer, Anni Haider, Agnes Primocic und Johanna Sadolschek-Zala zusammengetragen. Ein eindrückliches Dokument ist auch die gleichnamige Filmadaption der Regisseurin Susanne Zanke aus dem Jahr 1981, die sieben Berichte aus Marie-Thérèse Kerschbaumers „Der weibliche Name des Widerstands“ beleuchtet. Berger, Holzinger, Podgornik und Trallori sind auch Autorinnen des bahnbrechenden Werks „Der Himmel ist blau. Kann sein“ über Frauen im Widerstand in Österreich zwischen 1938 und 1945, das Akte des Widerstands in ihrer ganzen Bandbreite abbildet.
WIDERSTAND IM ALLTAG. Agnes Primocic hat mit anderen Frauen 1934 in der Tabakfabrik in Hallein gestreikt und war später federführend bei der Befreiung von politischen Häftlingen. Grete Mikosch ließ sich arbeitsunfähig schreiben, um nicht für die Nazis arbeiten zu müssen, dann „hab ich noch mehr Zeit gehabt, unseren versteckten Freund zu betreuen“.
Hedwig Leitner-Bodenstein erschien aus Protest im Negligé mit Lockenwicklern in den Haaren zum Fahnenhissen – auch das: ein widerständiger Akt. Es sind Geschichten von Kameradinnenschaft in der Haft, von erfolgreicher Sabotage von Kriegsaufträgen, vom Verschwindenlassen von Akten in Eigeninitiative, von mutigen Betriebsrätinnen und konspirativ verfassten und verteilten Flugblättern, auch von Folter, „Nachtverhören“, von Partisaninnen im Wald, von Flucht, Hinrichtungen und Lager.
„Wenn man ein Ziel hat, in einer Bewegung ist und weiß, was man will, verliert sich die Angst. Angst lähmt doch furchtbar. Aber wenn du mitwirkst und versuchst, Hindernisse zu überwinden, ist die Angst nicht so groß. Die Empörung wird zu einer Energiequelle“, sagt im Buch Irma Schwager, die in Frankreich „Mädelarbeit“ gemacht hat. Es ging darum, deutsche Soldaten auszuspionieren und ihnen die Kriegszuversicht zu nehmen.
Das Buch „Widerstand und Zivilcourage“ über widerständige Frauen in Oberösterreich sortiert nach den Tätigkeiten der Praxis: „Hinterfragen, kritisieren, zuwiderhandeln“ heißt das Kapitel über Alltagswiderstand, „Mobilisieren, überzeugen, zurückschlagen“ jenes über den organisierten Widerstand, „Einstehen, entziehen“ über den religiösen Widerstand von Christinnen und Zeuginnen Jehovas sowie „Überleben, widersetzen“ über den Widerstand von Verfolgten. Die Autorinnen betonen, „wie wichtig eine kritische Haltung und couragiertes Handeln auch in der Gegenwart für eine stabile und vielstimme Demokratie sind“, erzählen von Frauen, die Geflüchtete versteckten, den Widerstand mit Nahrungsmitteln versorgten, aus Mitgefühl genauso handelten wie aus religiöser Überzeugung. Besonders beschämend ist, wie wenige der kämpferischen Frauen später unter das Opferfürsorgegesetz fielen und keine Entschädigung für ihren Kampf erhielten.
ALLE KÖNNEN WIDERSTAND. Was eint all diese widerständigen Frauen? Was lässt sich von ihnen lernen, auch in einer Demokratie? Viele waren in Verbänden organisiert, vor allem bei der KPÖ und der SPÖ. Auch heute gilt es, Strukturen zu unterstützen: Das kann als Betriebsrätin genauso sein wie bei einem Frauenbuchclub, einer Parteiorganisation, einem Verein. Keine von ihnen hat auf eine Erlaubnis gewartet, um sich zu engagieren. In prekären Zeiten bedeutet schon Schweigen Zustimmung. Machtlos fühlt sich, wer nichts tut – und Mut ist ein Muskel, den man trainieren kann. „Es war essenziell, nicht aufzugeben. Wenn du Widerstand geleistet hast, warst du schon Siegerin. Du hattest bereits gewonnen“, schrieb Madeleine Riffaud, die französische Widerstandskämpferin, die nach dem Krieg Journalistin und Kriegsberichterstatterin wurde und 2024 hundertjährig verstarb, in einem Porträt in den „New York Times“. Gemeinsam mit drei weiteren Menschen hatte sie u. a. 1944 einen Zug der Wehrmacht in einem Tunnel von der Lokomotive getrennt, achtzig Soldaten mussten sich ergeben.
Immerhin hat Widerstandskämpferin Resi Pesendorfer jetzt einen Platz im Zentrum von Bad Ischl und viele andere Widerstandskämpferinnen ein Denkmal auf dem Linzer OK-Platz.