Ebru Sokolova, bekannt als Schwesta Ebra, ist Rapperin und produziert politsatirische Videos. Ein Gespräch beim Frühstück über die Grenzen von Satire und warum Kunst zwar alles darf, aber nicht unbedingt alles soll. Von Maryam Al-Mufti
an.schläge: Was inspiriert dich zu deinen Satire-Videos, die du mit deinen Followern teilst?
Schwester Ebra: Humor ist meine Art mit Dingen umzugehen, die mich im Alltag runterziehen. Es ist ein Weg, nicht in der Negativität und dem Hass unterzugehen, den ich manchmal für meine Person und meinen Content online abbekomme.
Nachdem der deutsche Komiker Faisal Kawusi einen Shitstorm für einen makaberen Witz über K.O.-Tropfen erntete, rechtfertigte er sich, Komik sei sein Weg mit Tragik umzugehen. Humor solle deshalb keine Grenzen kennen.
Wenn du diskriminierende Witze auf Kosten jener machst, die gesellschaftlich eh schon so viel abbekommen, dann bist du einfach ein Arschloch. Dann brauchst du den schnellen Lacher einfach für dein Ego. Und du machst andere damit klein, ohne zu hinterfragen, was so ein Witz anrichten kann. Wenn du hingegen selbst von der Diskriminierung betroffen bist, über die du Späße machst, ist das was anderes. Für Betroffene kann es heilend sein, auch in humorvoller Weise über ihre Erfahrungen zu sprechen – vor allem zusammen mit Gleichgesinnten, die einen verstehen können. Alles andere hat meiner Meinung nach immer einen abfälligen, abwertenden Beigeschmack.
Für Betroffene und Nichtbetroffene liegen die Witze woanders?
Genau. Wenn ich einen Witz mache über Rassismus oder Homofeindlichkeit, die ich erlebe, lachen die Menschen aus unterschiedlichen Gründen. Betroffene lachen, weil sie sich wiedererkennen und verstanden fühlen. Nichtbetroffene lachen meist einfach mit und vergessen dabei, dass hinter diesen Witzen immer noch eine schmerzhafte Realität steckt. Wenn ich jemanden höre, der sich über die Akzente migrantischer Personen lustig macht, kann ich auch nur darüber lachen, wenn ich weiß, dass die Person genau versteht, wie viel Menschen aufgrund ihrer Akzente durchmachen müssen. Für weiße, autochthone Jugendliche mag es bloß ein lustiger „Slang“ sein, für Menschen, die ihren Akzent nicht einfach abschalten können, ist der Alltag oft mit viel Scham behaftet. Sie bekommen oft nur deshalb den Job nicht, für den sie eigentlich qualifiziert wären oder man hält sie für dumm und traut ihnen weniger zu.
Wie siehst du deine Verantwortung als Künstlerin?
Ich versuch keine Witze auf Kosten anderer zu machen, die es ohnehin schon schwer haben. Humor ist mein Coping-Mechanismus, deshalb mache ich oft Witze über Dinge, die mich persönlich betreffen und belasten. So kann ich diese Erfahrungen für mich verarbeiten und mit Humor darauf aufmerksam machen. Allerdings sehe ich die potenzielle Gefahr, dass ernste Themen als Witz verkommen könnten. Das darf nicht passieren, darauf achte ich immer. Das ist auch eine Kunst. Du kannst natürlich auf einen Zug aufspringen und den hundertsten Witz über Amber Heard machen. Viel schwieriger ist es, origineller zu sein und dabei auch niemanden zu verletzen.
Viele sehen in der Kritik an diskriminierenden Inhalten einen Angriff auf die Kunstfreiheit. Man dürfe ja nichts mehr sagen.
Darüber beschweren sich Comedians laufend – sagen dann aber doch, was sie wollen. Ich denke teilweise werden auch Grenzen bewusst ausgetestet oder überschritten. Für die Aufmerksamkeit, die ihnen in dem Moment fehlt. Es ist immer wieder verblüffend, wie stark deren Reichweite steigt, nachdem sie für ihr Verhalten kritisiert wurden – trotz beklagter „Cancel Culture“. Weiße, heterosexuelle Männer wissen, dass sie besser davonkommen als ihre Kritiker*innen, die meist marginalisierten Gruppen angehören. Aktuelle Beispiele dafür sind Joyce Ilg, Faisal Kawusi und Luke Mockridge: Auf deren Instagram-Accounts ist aktuell viel mehr los als in den Wochen zuvor. •