„Des Teufels Bad“ widmet sich dem wenig beachteten Phänomen des „mittelbaren Suizids“, den Frauen in der Neuzeit begingen. Ein zutiefst bewegender Historienfilm über das bäuerliche Leben, Depression und Einsamkeit. Von CLEMENTINE ENGLER
Ich wollte weg sein aus der Welt«, begründete Ewa Lizlfellner ihre Tat, für die sie hingerichtet werden sollte. An ihre Geschichte ist der Film „Des Teufels Bad“ von Veronika Franz und Severin Fiala angelehnt, der kürzlich auf der Berlinale seine Premiere feierte. Ausgehend von den Erkenntnissen der Historikerin Kathy Stuart thematisiert das Regie-Duo ein dunkles Kapitel europäischer Geschichte, das bisher unbeleuchtet blieb.
Die Oberösterreicherin Lizlfellner teilt das schreckliche Schicksal zahlreicher Frauen, die im 17. und 18. Jahrhundert, eine Epoche strengen christlichen Glaubens, als einzigen Ausweg den „mittelbaren Suizid“ sahen. Mithilfe von Morden wollen sie ihr Leben beenden. Bevor sie hingerichtet wurden, war es ihnen erlaubt, Beichte über ihre schrecklichen Taten abzulegen, um so von Sünden befreit in den Himmel zu kommen. Suizid hingegen galt damals als schlimmste aller Sünden, der Zutritt ins Himmelreich wäre auf immer versperrt geblieben. In „des Teufels Bad“, so hieß es im Volksmund, befanden sich diejenigen, die unter einer Depression litten, die bis zur Todessehnsucht führen konnte.
Anders als das typische Historiendrama lenkt der Film einen naturalistischen Blick auf den bäuerlichen Alltag. Das Leben in armen Verhältnissen ist geprägt von einer Rauheit, die durch die Allgegenwart des Todes, durch Tierkadaver und menschliche Leichen anschaulich wird. Der Film ist inspiriert von Lizlfellners Schicksal, die im Film Agnes (Anja Plaschg) heißt und in der Mitte des 18. Jahrhunderts in Oberösterreich lebt. Nach ihrer Hochzeit wünscht sich die tiefreligiöse Frau nichts sehnlicher als ein Kind. Sie möchte ihrem Ehemann Wolf (David Scheid) eine gute Frau sein, scheint sich jedoch von Anfang an fremd zu fühlen in ihrem neuen Leben. Das Steinhaus, in dem sie wohnen, ist genauso kalt wie die Menschen, die sie umgeben. Dazu kommt die ständige vernichtende Kritik der Schwiegermutter (Maria Hofstätter). Die hochsensible Agnes fängt an, daran zu zweifeln, dass sie jemals genügen könne. Ein innerer Kampf mit ihren eigenen Dämonen beginnt, den Anja Plaschg mit ihrem großartigen Schauspiel fein nuanciert vermittelt. Aber auch die Bildsprache und der Sound tragen eindrücklich zu dieser Vermittlung bei.
Warme Sonnenstrahlen fluten die bewegten Bilder der Hochzeit, in denen Agnes glücklich lachend in Großaufnahmen zu sehen ist. Doch bald breiten sich Finsternis und Nebel aus und zeigen die innere Veränderung an. Agnes beginnt sich immer mehr zu fürchten in ihrem neuen Zuhause. Wenn sie sich im Gestrüpp verheddert, im Schlamm des Sees stecken bleibt oder panisch durch Höhlengänge kriecht, macht die Kamera (für die es auf der Berlinale den silbernen Bären gab) das klaustrophobische Gefühl in ihr erfahrbar. Agnes zieht sich immer mehr in die Einsamkeit zurück und richtet ihre Wut gegen sich selbst. Der Sound von Soap&Skin dringt tief in den Körper und untermalt ihre innerliche Beklemmung und die Selbstzweifel.
Alles in „Des Teufels Bad“ ist darauf ausgelegt, den innerlichen Kampf von Agnes spürbar zu machen, der sie schlussendlich zu einer grausamen Entscheidung bewegt.
Als Zuschauer*in kann man sich dem nicht entziehen. Das macht den Film besonders wertvoll, denn Depression ist für Menschen, die nicht darunter leiden, oft schwer nachvollziehbar. Oft fehlt jedes Verständnis, wenn Betroffene nicht funktionieren können. In Franz und Fialas Film geht es also auch um Schwächen und Fehler, um das Scheitern an Leistungsansprüchen. Damit gelingt die Brücke zur Gegenwart.
„Des Teufels Bad“ ist ein Film, der von den großen menschlichen Emotionen erzählt. Von Ängsten, Verletzlichkeit, Abgründen, aber auch von Hoffnungen, Sehnsüchten und Träumen.
CLEMENTINE ENGLER hat sich komplett einnehmen lassen von der Atmosphäre, die „Des Teufels Bad“ so einzigartig macht.