Unter dem Motto „Auch das ist Arbeit“ rief das Netzwerk arbeit plus zur kreativen Auseinandersetzung mit dem gängigen Arbeitsbegriff auf. GABI HORAK hat Geschäftsführerin JUDITH PÜHRINGER zur Aktion befragt.
an.schläge: Was ist der „gängige Arbeitsbegriff“ und wie würdest du ihn erweitern?
Judith Pühringer: Ist von „Arbeit“ die Rede, ist meist Erwerbsarbeit gemeint. Für uns im Netzwerk arbeit plus ist Arbeit in Anlehnung an die „Vier-in-einem-
Perspektive“ der Soziologin Frigga Haug auch Sorgearbeit (wie z. B. Kinderbetreuung), Freiwilligenarbeit und das, was man für sich selbst tut, etwa Weiterbildung. Wir glauben: Nur eine Erwerbsarbeit, die für die weiteren drei „Arbeitsfelder“ Raum lässt, wird den Menschen und auch der Natur in ihrer Gesamtheit gerecht.
Hat sich diese Definition in den vergangenen Jahrzehnten geändert?
Meiner Meinung nach ist die Definition über die Jahre dieselbe geblieben – ein weiteres Indiz dafür, wie dringend es einen neuen Blick braucht.
Im Mai habt ihr Menschen dazu aufgerufen, einen „Auch das ist Arbeit“-Sticker an einem beliebigen Motiv anzubringen, das sie persönlich mit „Arbeit“ verbinden, und dieses unter #auchdasistarbeit zu posten. Was wolltet ihr mit dieser Kampagne erreichen?
Die Botschaft ist: „Jede Arbeit ist etwas wert, egal, ob bezahlt oder unbezahlt.“ Wir wollten Bewusstsein für eine gerechtere Verteilung von Arbeit schaffen, z. B. zwischen Männern und Frauen, da Frauen ja nach wie vor die Hauptlast unbezahlter Tätigkeiten tragen. Insgesamt leiden viele unter Burnout, andere finden wiederum keinen Job. Ist man sich der Ungleichheit bewusst, kann man überlegen, wie sich das ändern kann, etwa durch Arbeitszeitverkürzung.
Zeigt sich das auch in den Fotos, die ihr bekommen habt?
Explizit für politische Statements genutzt haben die Aktion nur wenige. Aber viele nahmen den Ball auf, um haushaltsbezogene Tätigkeiten ins Blickfeld zu rücken. Sie sagten damit: Das ist Arbeit, die wir täglich im Verborgenen machen und die häufig nicht als solche benannt wird. Und das ist ja genau genommen auch eine sehr politische Aussage.
Besonders in Hinblick auf Geschlechterverhältnisse ist „Arbeit“ ein schwieriges Feld – angefangen bei der Definition, über Berufschancen und Arbeitsbedingungen bis hin zu Bezahlung und Vereinbarkeit. Wie beurteilst du die aktuelle Situation in Österreich? Wie geht es Frauen in ihrer „Arbeit“?
Dass es einen Equal-Pay-Tag braucht, spricht allein schon Bände. In Österreich ist fast jede zweite Frau teilzeitbeschäftigt, aber nur knapp jeder zehnte Mann. Aktuelle Umfragen zeigen, dass viele Frauen in Teilzeit lieber länger arbeiten würden, während sich viele Männer mehr Zeit für ihre Familie wünschen. Frauen tragen zusätzlich die Risiken, die Teilzeit mit sich bringt: schlechtere Aufstiegschancen, ein höheres Armutsrisiko.
Wie kam die Aktion an? Wie seid ihr mit dem Ergebnis zufrieden?
Wir haben so etwas zum ersten Mal gemacht, es war ein Experiment. Schön sind die vielen positiven Feedbacks, die wir erhalten haben. Viele konnten mit ihren Erfahrungen andocken, dementsprechend bunt ist die Bilderlandschaft. Die Motive reichen vom Nüsse Knacken (im übertragenen wie realen Sinn) über die eigenen Tanzschuhe und das Rasenmähen bis zum Schreiben von Bewerbungen. Manche sozialen Unternehmen haben auch Einblicke in ihren Arbeitsalltag gegeben. Wir überlegen, aus den besten Motiven eine Freecard-Serie zu gestalten. Außerdem finden wir, dass die Bilder vor allem in ihrer Gesamtheit wirken: als großer Fleckerlteppich, der den Blick auf das Ganze der Arbeit richtet, wie wir sie verstehen.
arbeit plus ist das österreichische Netzwerk sozialer Unternehmen.