Ein Kommentar von SVENJA HÄFNER
Meinen Einstieg in die Welt der Arbeit hatte ich mit 16, als Spülkraft in einem Gasthaus. Damals war es noch nicht so wichtig, was man arbeitete, Hauptsache das Geld stimmte und die Arbeitsatmosphäre war einigermaßen erträglich. Nach dem Abitur folgte eine Ausbildung zur Sport- und Gymnastiklehrerin. Meine Stärke lag jedoch mehr in den eigenen sportlichen Fähigkeiten als in der pädagogischen Vermittlung. Ein Beruf wurde also nicht draus. Weitere Ausbildungsfinanzierungen verweigerten meine Eltern, also konzentrierte ich mich erzwungenermaßen auf’s Geldverdienen. Und blieb erst mal in der Gastronomie.
Von der Tellerwäscherin zur Köchin (mit Lehrabschluss) aufgestiegen, arbeitete ich Vollzeit in unterschiedlichen Betrieben. Nun hatte ich ausreichend Geld, war finanziell unabhängig und übernahm immer wieder verantwortungsvolle Posten – doch eine wirkliche Zufriedenheit stellte sich dabei nicht ein. Die Energie nach Arbeitsschluss reichte gerade mal zum Einkaufen, Essen, Fernschauen und Füße hochlegen. Rückblickend wüsste ich nicht, wie ich mich da noch um Kinder hätte kümmern können. Mit wurde klar: Ich wollte nicht nur Geld, sondern auch Zeit, und damit die Möglichkeit, neben der Arbeit noch etwas für mich Sinnvolles zu tun. Also reduzierte ich die Arbeit, inskribierte an der Uni Soziologie und Politikwissenschaft, passte meinen Lebensstil meinen verminderten finanziellen Mitteln an und war fast so etwas wie glücklich. Anerkennung gab es dafür leider nur wenig. Ich war meinem Umfeld nicht zielstrebig genug. Aber schließlich studierte ich aus persönlichem Interesse und zu meiner eigenen Befriedigung – und nicht, um einen gut bezahlten Job zu ergattern und Karriere zu machen.
Mittlerweile habe ich einen Studienabschluss, zwei Kinder und arbeite Teilzeit. Zum einen, weil mir der Sinn für’s Karrieremachen fehlt und mir noch bis heute nicht so ganz klar ist, wohin ich jobmäßig eigentlich will. Zum anderen aber auch, weil mir mein jetziger Job die Möglichkeit bietet, mir meine Arbeitszeit selbstständig einzuteilen, weil ich den Freiraum habe, mich auch anderswo zu engagieren, weil ich die Zeit mit meinen Kindern – die übrigens beide in einer Ganztagesbetreuung sind – entspannt genießen kann, weil ein gutes Partnereinkommen das finanzielle Überleben der Familie sichert und ich mit dieser Situation zufrieden bin. Wären da nicht die vielen heftig propagierten Nachteile einer Teilzeitstelle: die geringe Entlohnung, die verbauten Karrierechancen und nicht zu vergessen der geringe Pensionsanspruch, ein großes Risiko für Altersarmut. Alles Argumente, die eindeutig gegen Teilzeitarbeit sprechen und die mich zugegebenermaßen hin und wieder an meiner Haltung zweifeln lassen.
Die kürzlich von Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek zur Diskussion gestellte Kürzung des Rechtsanspruchs auf Elternteilzeit und ihre dezidierte Stellungnahme gegen Teilzeit nähren diese Zweifel. Das Engagement der Ministerin dafür, dass Frauen von ihrem Einkommen leben können, ist löblich. Aber sollten dann nicht gerade jene schlecht bezahlten Jobs im Handel, im Pflege- und Gesundheitsbereich und in der Gastronomie, in denen Frauen oft Teilzeit arbeiten, besser entlohnt werden? Alles Berufe, die sowohl physisch als auch psychisch sehr belastend sind, weshalb es oftmals gerade die reduzierte Arbeitszeit ist, die einen dauerhaften Verbleib überhaupt garantiert. Schlecht bezahlt sind auch die Jobs in alternativen Projekten und Vereinen, die sich eine ausreichende Entlohnung ihrer engagierten Mitarbeiter_innen nicht leisten können. Auf der anderen Seite sind es aber oft gerade solche Jobs, die als sehr erfüllend erlebt werden.
Keine Frage – solange es kein soziales Sicherungssystem wie beispielsweise das bedingungslose Grundeinkommen gibt, spielen Geld, der eigenständige Erhalt des Lebensunterhalts und damit verbunden die bezahlte Arbeit eine zentrale Rolle. Aber grundsätzlich sollte es jeder/m zugestanden und ermöglicht werden, auch andere Prioritäten im Leben zu setzen und sich gegen eine Vollzeitarbeitsstelle zu entscheiden. Um zum Beispiel ohne schlechtes Gewissen stundenlang mit den Kindern Tretboot fahren zu können.