Ein Kommentar von VERENA KETTNER
Antimuslimischer Rassismus nimmt in Österreich zu, wie zuletzt zwei Berichte belegten.
Eigentlich sollte das nicht verwundern. Denn die Einführung eines Gesichtsverhüllungsverbots, Debatten um Deutschklassen, Kürzungen bei Integrationstöpfen und neuerdings nun auch der Diskurs um ein Kopftuchverbot in Kindergärten und Schulen wirken sich selbstverständlich auf die Stimmung in der Gesellschaft aus und befeuern Hate Speech und rassistische Übergriffe. Eigentlich ist mir das klar. Aber das ändert nichts daran, dass es schwer zu begreifen, weil schwer auszuhalten ist.
Denn der gesunde Menschenverstand reicht, um zu begreifen, dass ein Kopftuchverbot an Schulen und in Kindergärten nicht, wie von Türkis-Blau propagiert, „Kinderschutz“ bewirkt, wenn gleichzeitig die Mittel für Sozialarbeit in Schulen und fürs Teamteaching gekürzt werden. Wenn stattdessen spezielle Deutschklassen vorgeschlagen werden, die Kinder erst nach einem bestandenen Test und am Ende des Semesters wieder verlassen können. Dieses vermeintliche Vorhaben des „Kinderschutzes“ , betrieben von weißen, rechtspopulistischen Männern, die den Islam dämonisieren und sowohl Frauen als auch Kinder vor diesem bösen, fremdartigen Patriarchat retten wollen, wird definitiv zur Farce, wenn den Kindern auf der realpolitischen Ebene ganz offensichtlich das Leben viel schwerer gemacht wird als bisher.
Und dennoch: Die Rhetorik funktioniert. Die Erschaffung eines Feindbilds und einer schützenswerten Bevölkerung ist eine rechtspopulistische Strategie, der es immer wieder gelingt, zu verschleiern, was bestimmten Debatten tatsächlich zugrunde liegt. In diesem Fall ist das Rassismus. Wenn jungen Mädchen, die für gewöhnlich bis zur Pubertät nicht mit Erwartungen konfrontiert sind, ein Kopftuch zu tragen, dies dennoch plötzlich verboten werden soll, dann geht es nicht um das Kopftuch. Es geht vor allem auch nicht um die Mädchen. Es geht darum, ein Feindbild aufrechtzuerhalten und rassistische Diskurse zu befeuern. Es geht nicht um die Freiheit oder Selbstbestimmung von Frauen und Mädchen. Sie lassen sich nur eben besonders leicht dafür instrumentalisieren, antimuslimischen Rassismus weiter in die Gesellschaft zu tragen.
Rassismus ist ein hervorragendes populistisches Instrument, denn er spaltet die Gesellschaft und nimmt ihr Solidarität und Stärke. Anstatt sich gegen neoliberale Regierungen und globale Ungerechtigkeiten zu verbünden, wird gegen die als fremd und bedrohlich entworfenen „Anderen“ gekämpft.
Es steckt eine Strategie dahinter, wenn ein Wirbel um das Islamgesetz gemacht wird und beinahe unbemerkt eine Einschränkung des generellen Vereinsrechts damit einhergeht. Oder wenn eben ein Diskurs um das Kopftuchverbot angestoßen wird, anstatt die Kürzungspläne bei der Unfallversicherung zur öffentlichen Debatte zu stellen.
Es ist Rassismus, der die Debatte um das Kopftuchverbot bestimmt, nichts anderes. Kein „Kinderschutz“, keine „Frauenbefreiung“. Umso mehr würde ich mir von den sowieso sehr marginalisierten linken Kräften in Österreich wünschen, bei solchen Diskursen nicht die Spaltungslogik der Regierung aufzugreifen oder sie mit dem Argument der Religionskritik mitzutragen, sondern sich eindeutig und solidarisch zu positionieren.
Wenn ich sehe, dass eine Frau verbal oder tätlich oder eben auch durch rassistische Diskurse attackiert wird, dann stehe ich ihr bei. Dann frage ich sie nicht zuerst nach ihrer Meinung zum Kopftuch. Ich muss kein dauerhaftes politisches Bündnis mit ihr eingehen, darum geht es gar nicht. Aber zumindest so viel Sisterhood sollte doch möglich sein.