Ein Nachruf von ANGELA HEISSENBERGER
Gudrun Hauer ist tot. Wie die meisten anderen auch, traf mich diese Nachricht Anfang November völlig unvorbereitet. Nur wenige hatten von ihrer schweren Krankheit gewusst, niemand ahnte, dass ihr nur noch ein paar Wochen bleiben würden. Mit Gudrun verloren wir eine hervorragende Journalistin und eine unermüdliche, streitbare Kämpferin für Frauen, Lesben und Schwule und gegen Faschismus.
Gudrun war insbesondere für die an.schläge eine prägende Persönlichkeit. Gemeinsam mit Beate Soltész und anderen bewegten Frauen gründete sie 1994 die drei Jahre zuvor eingestellte Zeitschrift neu – als professionell gemachtes, feministisches Monatsmagazin mit breiter Themenvielfalt. Gudrun legte die Latte von Anfang an sehr hoch. Bei Inhalt, Stil und Ausdruck ging sie keine Kompromisse ein, was so manche Praktikantin oder Gastautorin zähneknirschend zur Kenntnis nehmen musste. Ins Blatt kam nur, was Gudruns strenge Korrektur durchlaufen hatte.
Der Erfolg gab ihr Recht. Es regnete in den folgenden Jahren Auszeichnungen für einzelne Autorinnen und die gesamte Redaktion. Ö1 gestaltete ein „Journal-Panorama“ über die an.schläge, auch der damalige ORF-Intendant Rudolf Nagiller besuchte uns in der Frauenhetz und staunte über unsere technische Ausstattung (drei PCs, ein Faxgerät!). Wir reisten zur Verleihung des Claus-Gatterer-Preises nach Südtirol, wo Gudrun einen Interview-Marathon absolvierte.
Leider korrelierte die öffentliche Anerkennung nicht immer mit der wirtschaftlichen Situation der Zeitschrift. In guten Zeiten konnten bis zu fünf Frauen hier ihren Lebensunterhalt verdienen, in schlechten Zeiten bewegten wir uns hart an der Grenze zum Prekariat. Dass das Niveau der an.schläge auch unter widrigsten Bedingungen anspruchsvoll blieb, war nicht zuletzt Gudruns Verdienst.
Als ich 1999 aus meiner ersten Karenz zurückkehrte, hatte eine jüngere Generation von Redakteurinnen das Ruder übernommen. Gudrun ging in ihrer Stelle als Uni-Lektorin auf und engagierte sich wieder intensiver in der HOSI, später auch beim Gesellschaftlichen Beirat zur Neugestaltung der Österreich-Ausstellung in Auschwitz-Birkenau. Wir verloren einander aus den Augen.
Gudrun war kein einfacher Mensch, manchmal stur, fast trotzig und auch ein bisschen schrullig. Diskussionen mit ihr mündeten oft in Wortgefechte – wenn es um die Sache ging, war sie kompromisslos. Aber wir konnten auch gemeinsam schmunzeln und philosophieren, über ihre neurotische Katze, ihr Faible für Fußball, Opern oder Fantasy-Romane. Gudrun war eben in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich.
Ihr enzyklopädisches Wissen über Nationalsozialismus war ebenso umfassend wie ihre Bibliothek. Ebenso bezeichnend ihr Pflichtbewusstsein: Als die heimtückische Krankheit schon in ihr steckte, korrigierte sie noch die neue Ausgabe der „LAMBDA-Nachrichten“ fertig und ging erst tags darauf zum Arzt. Gudrun kämpfte bis zum Schluss, leider vergeblich. Das späte Glück mit ihrer Partnerin Ulli war ihr nicht länger vergönnt. Die Spuren, die sie in ihrer politischen und journalistischen Arbeit hinterlassen hat, werden jedoch immer sichtbar bleiben.
Angela Heissenberger war von 1995 bis 2002 Redakteurin der an.schläge. Seit 2004 ist sie Redakteurin des Wirtschaftsmagazins „report plus“.