Sofie Hagens „Happy Fat“ ist ein Manifest für eine dicke Revolution. Von Katharina Fischer
„Happy Fat“, ein Titel, der uns Leser_innen in unseren vorurteilsvollen Erwartungen trifft. Er spielt mit dem Klischee der ewig lustigen dicken Person: Eine Person, die als Projektionsfläche dient, damit sogenannte Schlanke sich neben ihr noch schlanker fühlen können. Die zuhören, aber nicht selbst erzählen darf – vor allem nicht, wenn es um Sex geht. Fernsehbildschirme bevölkern dicke Personen oft als kopfloser Körper – sie werden als der Innbegriff des Ungesunden und Undisziplinierten inszeniert.
Zu dicken Körpern scheinen alle eine Meinung zu haben, kritisiert Sofie Hagen. Scharfzüngig und oft bitterböse greift die Autorin in die Erlebniskiste dicker und fetter Personen und schreibt dabei vorrangig für dicke Menschen, insbesondere für dicke und queere Menschen. Nicht-dicke Personen verweist sie immer wieder auf ihren Platz, sie sind nur Gäste in diesem Buch. Ihren Humor hat sie jedoch trotz aller diskriminierenden Erfahrungen tatsächlich nicht verloren. Nicht umsonst ist Hagen auch über ihre Heimat Dänemark hinaus eine gefeierte Comedian. Sie behauptet sich in einer cis-männlich dominierten Szene, in der Witze gerne auf Kosten dicker und oder queerer Personen gehen. Dagegen wehrt sie sich, auf der Bühne und mit diesem Buch.
„Du bist doch eh selbst schuld“ – das ist der – ausgesprochene oder auch unausgesprochene –Vorwurf der die Diskriminierungserfahrungen dicker Person oft begleitet. Die Diskriminierung, die sie erleben, wird deshalb häufig als legitim erachtet bzw. gar nicht als solche wahrgenommen. Hagen schildert eine Reihe dieser verletzenden Erfahrungen, strukturelle und individuelle. Sie erklärt den nicht-dicken Leser_innen ihres Buches, was diese im Alltag wahrscheinlich oft gar nicht bemerken: Dass Reisen, vor allem mit dem Flugzeug, für dicke Menschen zur Qual werden kann. Denn die Sitze sind nur auf sogenannte Normkörper ausgerichtet, der Gurt ist oft zu kurz, die Bitte um Gurtverlängerung ein Moment der zusätzlichen Beschämung. Der öffentliche Raum und andere Räume können so allein durch ihre Beschaffenheit zu Orten des Ausschlusses werden. Ist die öffentliche Toilette breit genug? Ist der Stuhl stabil genug? Wie sind öffentliche und andere Verkehrsmittel gebaut? Essen im öffentlichen Raum? Gibt‘s nur gewürzt mit abwertenden Kommentaren.
Durch den Hindernisparcours des alltäglichen Lebens von dicken Personen manövriert Hagen ihre Leser_innen jedoch auch immer wieder mit Tipps, sich selbst und den eigenen Körper wertzuschätzen, sich etwas Gutes zu tun. Sich selbst einzugestehen, dass es nicht erzwungen werden kann, den eigenen Körper zu lieben, gehört für sie jedoch dazu. Die Tipps zur Selbstfürsorge entkoppelt sie ganz bewusst von jeglichem Optimierungsdrang. Happy Fat ist dabei fast schon ein Aufruf zur Dicken-Revolution, für ein Recht auf Raum und Platz, auf Respekt, Crop Tops und Sex.
Hagens Buch ist nicht nur bissig und humorvoll, sondern kommt auch mit einer ordentlichen Portion Selbstreflexion daher. Sie ist sich bewusst, dass ihre Erlebnisse als dicke Person keine Allgemeingültigkeit besitzen. Und so öffnet die Autorin nicht nur Raum für eigene Gedanken, sondern lädt Personen zu Interviews ein, die mit ihr über die Perspektiven von dicken trans Personen, POC und Menschen mit Be_hinderungen sprechen. Auf gar keinen Fall will Hagen von sich auf andere schließen oder für diese sprechen.
Das Lesen macht Lust auf eine dicke Revolution – und darauf, es doch noch mal mit einem Crop Top zu versuchen.