We are all in this together
Die US-amerikanische Literaturwissenschaftlerin bell hooks hat jene Einführung in feministisches Denken geschrieben, die sie selbst als junger Mensch gerne gelesen hätte. Feminismus, so wie sie ihn versteht, sollte von allen verstanden und gelebt werden können. Von Verena Kettner
Feminismus darf niemals ausschließend daherkommen, macht bell hooks schon in der Einleitung ihres Buchs klar, das im englischen Original bereits 2000 erschien und kürzlich ins Deutsche übersetzt wurde. Hooks erzählt davon, wie ihr eigenes feministisches Engagement sowie ihre Leidenschaft für die Bewegung mit jedem Tag mehr wuchsen, sie aber im selben Ausmaß auch immer wieder enttäuscht wurde. Denn eine Bewegung, der sich viele Menschen nicht zugehörig fühlen, weil sie ihre Sprache nicht verstehen und ihre Theoretisierungen zu komplex finden, muss in gewisser Weise versagt haben. Ihr Buch kämpft gegen dieses Missverhältnis an: Es ist nicht akademisch, leicht zu lesen, auch ohne viel Vorwissen verständlich und es richtet sich an alle Geschlechter. Es ist, wie der Feminismus, für alle.
bell hooks vertritt eine breite Definition von Feminismus. Dieser sei eine Bewegung, die darauf abziele, sexistische Ausbeutung und Unterdrückung zu beenden. Nicht „die Männer“ seien der Feind von Feminist*innen, sondern ein sexistisches und patriarchales System, das alle Geschlechter unterdrückt. Natürlich nimmt diese Unterdrückung höchst unterschiedliche Formen an und ist insbesondere Männern gegenüber schwer zu fassen, da diese immer auch vom Patriarchat profitieren. Allerdings würden sie im Gegenzug oft ihre Verletzlichkeit und die Verbindung zu ihren Emotionen opfern sowie die Fähigkeit einbüßen, tiefe soziale und emotionale Bindungen einzugehen, ist hooks überzeugt.
Mit ihrem authentischen, stets intersektionalen Blick denkt bell hooks Identitäten und Kämpfe zusammen, sieht und zieht Verbindungslinien. Feminismus muss, wenn er nachhaltig etwas an den sexistischen gesellschaftlichen Strukturen verändern will, nicht nur für alle Geschlechter entworfen und von allen Geschlechtern mitgetragen werden, sondern er muss auch antirassistisch, antifaschistisch, antikapitalistisch und vor allem radikal sein. Eine reformerische Bewegung weißer Feminist*innen beispielsweise, die sich für Lohngleichheit einsetzen, reiche nicht aus, um einen gesellschaftlichen Umsturz herbeizuführen, der für alle befreiend wäre.
In verschiedenen Kapiteln, die sich mit klassisch feministischen Themen wie (Care-)Arbeit, reproduktiven Rechten, der Frage nach sisterhood, Sexualität, Partner*innenschaft, Gewalt und (Bewusstseins-)Bildung auseinandersetzen, verwebt bell hooks geschickt die unterschiedlichen Diskriminierungsachsen von Geschlecht, race und Klasse und verdeutlicht deren schädliche Effekte für alle. In all den Ausführungen schwingt stets auch hooks gewohntes Verständnis von Solidarität und (politischer) Liebe mit. Zwar sind es komplexe gesellschaftliche Strukturen und Verhältnisse, die wir verändern müssen, doch haben wir als Individuen auch die Handlungsmacht dafür. Wir können solidarisch lieben und handeln, können wertschätzend, fürsorglich, hingebungsvoll, verantwortungsvoll und verständnisvoll sein, uns wehren gegen Dominanz und Zwang. Auf dieser Basis können wir schließlich jene Vision verwirklichen, von der bell hooks träumt: einen radikalen Feminismus, der zwar in der konkreten Realität der Menschen verankert ist, in seinen Zielen aber über diese hinausgeht. Einen Feminismus, der miteinander und aneinander wächst, voneinander lernt, der sich verändert und weiterentwickelt, bis wir eines Tages ein Leben ohne Herrschaft führen können.
bell hooks: Feminismus für alle
Übersetzung: Margarita Ruppel
Unrast Verlag 2021, 14,- Euro
1 Kommentar zu „an.lesen: bell hooks: Feminismus für alle “
Die ersten Bücher von bell hooks erschienen Anfang der 1990er im Orlanda Frauenverlag.
Siehe z.B. hier:
https://www.ebay.de/itm/334257502223?hash=item4dd34cb80f:g:Pu4AAOSwMl9hu6vS
https://www.ebay.de/itm/334257504265?hash=item4dd34cc009:g:JpIAAOSwidVhu63j